Es gibt gute Gründe für ein Burkaverbot

Verschleierte Frau
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Außer Touristinnen gehen nur wenige Frauen voll verschleiert durch Österreich. Eine Kleidervorschrift hätte vor allem symbolische Bedeutung. Dieses Signal gegen Salafisten wäre dennoch wichtig.

Vor zwei Jahren noch hat Sebastian Kurz ein Burkaverbot als unnötig erachtet. Österreich brauche keine künstlichen Debatten, sagte der Außen- und Integrationsminister damals vor dem Parlament. Die Zahl der Burkaträgerinnen sei hierzulande sehr gering.

Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Außer auf Wiens goldener Meile und in Zell am See sind kaum Frauen im Ganzkörperschleier zu sehen. Und bei ihnen handelt es sich um Touristinnen aus Saudiarabien und den Golfstaaten auf Shoppingtour.

Trotzdem hat Kurz nun seine Meinung revidiert und ein Verbot der Vollverschleierung angeregt. Der Niqab, wie der arabische Gesichtschleier mit Sehschlitz heißt (die Burka ist die afghanische Version mit Sehgitter), sei ein Symbol einer Gegengesellschaft und der Integration abträglich. Ist Kurz ein populistischer Wendehals? Er mag innenpolitische Motive für den Schwenk haben.

Doch es gibt auch gute Gründe, in Zeiten der Massenmigration und der Radikalisierung ein Zeichen gegen ein Kleidungsstück zu setzen, das islamistische Eiferer politisch aufgeladen haben. Den Niqab und die Burka müssen Frauen in Gesellschaften überstreifen, die einer rigorosen Über-Interpretation des Islam folgen. Die Vollverschleierung ist Erkennungs- und Eroberungsmerkmal der Salafisten. Wo immer diese Fanatiker an die Macht kamen, ob in Afghanistan oder im Islamischen Staat (IS), waren Frauen am nächsten Tag gezwungen, hinter dem Stoff zu verschwinden. In Saudiarabien herrschen die wahhabitischen Avantgardisten der Steinzeitmode schon länger, das macht ihre Bekleidungsvorschriften aber nicht zivilisierter.

Die Frauenbeauftragte der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Carla Baghajati, hat auch „keine Sympathien“ für den Gesichtschleier, wie sie in Interviews mit „Kurier“ und Ö1 verriet. Dennoch wendet sie sich gegen das Burkaverbot. Damit bediene Kurz antiislamische Ängste und die Propaganda der Extremisten, die nun über Ausgrenzung von Muslimen und eingeschränkte Religionsfreiheit klagen könnten. Das klingt klug, doch an der PR-Abteilung des IS sollte sich der österreichische Gesetzgeber denn doch nicht orientieren. Und auch Baghajatis Einwand, ein Burkaverbot bevormunde Frauen, trägt nicht weit. Es verhält sich umgekehrt: Der Vollschleier ist Ausdruck von Entmündigung und Unterdrückung.

Eines stimmt: Ein Burkaverbot wäre Symbolpolitik, die in Österreich real kaum jemanden beträfe. Doch das ist noch ein Grund weniger, dagegen zu sein. Europa hat das Recht und die Pflicht, symbolisch klarzustellen, wo es die Grenzen der Toleranz gegen die Intoleranten zieht. Frankreich hat das 2011 getan und bei 150 Euro Strafe verboten, das Gesicht an öffentlichen Orten zu verhüllen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte lehnte die Beschwerde einer Muslimin ab. Die Begründung: Für das Miteinander der Gesellschaft sei es unerlässlich, dem anderen ins Gesicht schauen zu können.

Wer Werte der Aufklärung verteidigt, könnte dafür einen Preis zahlen. Vielleicht bleiben Touristinnen fern. Das muss es uns wert sein. Die Integrationsprobleme wird ein Burkaverbot freilich nicht einmal ansatzweise lösen. Das weiß Kurz bestimmt.

christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2016)

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