Warum verspricht uns der Kanzler gar so wenige Arbeitsplätze?

Bundeskanzler Christian Kern.
Bundeskanzler Christian Kern.(c) APA/ROLAND SCHLAGER
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200.000 Jobs will Kanzler Kern bis 2020 schaffen. Das ist leider zu wenig. Wir brauchen mehr, um Arbeitslosigkeit zu senken und Wohlstand zu sichern.

Dick Morris gilt als einer der gewieftesten US-amerikanischen Wahlkampfmanager. Er half unter anderem Bill Clinton ins Weiße Haus. Morris wurde einst gefragt, welche Art von Versprechen Politiker niemals geben dürften. Seine Antwort: „Arbeitsplätze!“ „Wer Arbeitsplätze verspricht, könnte genauso gut Regen versprechen“, sagte Morris.

Das mit dem Regen hat Kanzler Kern nach seinem vorgestrigen Auftritt in den ORF-„Sommergesprächen“ wunderbar hinbekommen. Was die Arbeitsplätze betrifft, so wird es ihm tatsächlich gelingen, Dick Morris zu widerlegen. Kern hat 200.000 Jobs bis 2020 versprochen. Er wird dieses Versprechen – das dürfen wir jetzt schon positiv anmerken – halten.

Denn die 200.000 Jobs schaffen die österreichischen Unternehmerinnen und Unternehmer auch jetzt schon. Und das nicht aufgrund, sondern vielmehr trotz der herrschenden Wirtschaftspolitik in diesem Land. In Österreich wächst nämlich nach wie vor die Zahl der Beschäftigten. 4,15 Millionen Jobs gab es im vergangenen Jahr, das sind um 700.000 Jobs mehr als noch vor zehn Jahren. Und glaubt man den Berechnungen der Wirtschaftsforscher, so wird die Zahl der Beschäftigten auch in den nächsten Jahren um 1,2 Prozent steigen. Mit anderen Worten: Bis 2020 entstehen mehr als 160.000Jobs. Zählt man dann auch noch die Präsenz- und Zivildiener und die Karenzierten dazu, sind es sicher mehr als 200.000 Arbeitsplätze.

Das alles passiert nicht, weil die Politiker so viel dafür tun. Sondern, weil es bei uns Gott sei Dank noch immer sehr viele Unternehmerinnen und Unternehmer gibt, die an dieses Land glauben, die an dem Standort festhalten und investieren – auch in neue Arbeitsplätze.

Das Problem ist nur: Trotz dieser zusätzlichen Arbeitsplätze werden wir im Jahr 2020 von einer Vollbeschäftigung Lichtjahre entfernt sein. Weil nämlich nicht nur die Beschäftigung, sondern auch die Bevölkerung wächst. Allein die Stadt Wien wird in vier Jahren um 100.000 Menschen mehr beherbergen. Und wir wissen, dass viele von diesen neuen Wienerinnen und Wienern sehr schwer und sehr langsam in den Arbeitsmarkt integriert werden können.
Politiker haben ja die unangenehme Angewohnheit, stets zu fragen, was sie für einen tun können. Auch bei Unternehmensbesuchen. Und natürlich ist die Verlockung groß, etwa um die eine oder andere Förderung, um Subventionen zu bitten. Tatsächlich wäre der Wirtschaft aber schon sehr geholfen, wenn sich die Bürokratie nicht in jede Kleinigkeit mit großer Kleinlichkeit einmischt. Man könnte etwa einem oberösterreichischer Bauunternehmer dafür danken, dass er einen Arbeitsplatz geschaffen hat. Stattdessen wurde er bekanntlich zu 2180 Euro Strafe verdonnert, weil er den Arbeiter elf Minuten zu spät angemeldet hatte. Bevor wir vollmundig die Vollbeschäftigung proklamieren, sollten wir lieber damit aufhören, Unternehmer zu kriminalisieren.

Wer Arbeitsplätze schaffen will, könnte zuerst einmal die vielen Schikanen entfernen, die den Weg zur Selbstständigkeit erschweren. Und da ist in erster Linie die gute, alte Gewerbeordnung gemeint. Diese ist auf jeden Fall alt und in manchen Fällen auch gut, aber größtenteils einfach unnötig und anachronistisch. Oder versteht irgendjemand, warum ein Gärtner fürs Heckenschneiden einen eigenen Befähigungsnachweis braucht? Was am Buchbinden so heikel ist, dass man es reglementieren muss?

Der Staat und seine Institutionen schaffen dann Wohlstand und Arbeitsplätze, wenn sie der Versuchung widerstehen, alles zu reglementieren und zu verbürokratisieren. Es mag da und dort bequem sein, die Verantwortung an den Staat zu delegieren. Doch diese Bequemlichkeit hat einen hohen Preis. Österreich ist nach Belgien das Land mit der höchsten Steuer- und Abgabenquote. In allen anderen Rankings fallen wir ja bekanntlich zurück.

Wir brauchen keinen Staat, der sich für alles zuständig fühlt und oft auch Dinge verspricht, die er nicht halten kann. Es gibt genügend Menschen in diesem Land, die Verantwortung übernehmen, die unternehmerisch handeln wollen. Man muss sie nur lassen.

E-Mails an:gerhard.hofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2016)

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