Der Operndirektor - und was hinter dessen Rücken so alles passiert

(c) Clemens Fabry
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Dieser Tage wird bekannt gegeben, wer die Geschicke der Staatsoper bis zum Jahr 2025 leiten wird. Währenddessen werden hinterrücks Fäden gezogen.

Die Frage, wer die Wiener Staatsoper leitet, hat in diesem Land von jeher niemanden kaltgelassen. Selbst Zeitgenossen, die der sogenannten klassischen Musik wenig abgewinnen können, sind sich ja darüber im Klaren, dass Österreich sein internationales Ansehen nicht zuletzt dem Musikleben verdankt, dessen Flaggschiff unzweifelhaft die Staatsoper ist.

Die dieser Tage zu erwartende Entscheidung des zuständigen Ministers ist weitreichend. Da im Opernbetrieb sehr langfristig vorgeplant werden muss, geht es um die Frage, wer die Geschicke des im internationalen Rampenlicht stehenden Betriebs bis 2025 zu verantworten hat.


Der Kulturminister wird, statistischen Erfahrungen zufolge, zu dem Zeitpunkt, zu dem erste Folgen seiner Entscheidung zu bemerken sein werden, nicht mehr im Amt sein, kann also nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden. Immerhin geht es diesmal um die Frage, ob ein eindeutiger Erfolgskurs weitergeführt werden soll, oder ob sich die künstlerische Ausrichtung der Staatsoper ändern soll – und wenn ja, warum, mit welchem Ziel?

De facto steht die Staatsoper nach sechs Jahren der Führung durch Dominique Meyer so gut da wie kaum zuvor. Die viel beschworene internationale Strahlkraft ist offenkundig. 30 Prozent der Besucher kommen aus dem Ausland, 70Prozent sind Österreicher – das ist ein guter Schlüssel, denn man spielt in Wien nicht nur, aber auch für das weltweite Renommee. Dass die Richtung stimmt, lässt sich auch an den Zahlen ablesen. Die Einnahmen sind so hoch wie nie zuvor. Auch das ist für die Republik ja nicht ganz uninteressant. Zumal das Schwesterhaus im Bundestheaterverband, das Burgtheater, zuletzt durch Finanzskandale in die Schlagzeilen gekommen ist.

In diesem Licht betrachtet scheint für den Kenner der hiesigen Szene bemerkenswert, dass im Windschatten der Staatsopern-Entscheidung eine Restrukturierung der kaufmännischen Agenden aller Bundestheater, der Staatsoper, der Burg und der Volksoper, betrieben wird.

Der neue Bundestheater-Holding-Chef scheint tatsächlich gerade damit beschäftigt, die nach jahrelangen Bemühungen 1999 endlich errungene „Ausgliederung“ wieder rückgängig zu machen. Seit damals liegt nicht nur die künstlerische, sondern auch die finanzielle Gebarung in den Händen der Direktionsteams der einzelnen Häuser.

Jetzt will man die kakanisch anmutende Verfilzung des früheren Bundestheater-Molochs aufs Neue installieren?

Das klingt nach einem Schildbürgerstreich. Oder nach der Intention, einen der hierzulande beliebten Versorgungsposten für ehemalige Politiker – oder solche „in Warteschleife“ – zu schaffen, einen Posten, der daher attraktiver sein sollte als der des derzeitigen Holding-Chefs. Er muss de facto über genügend Machtpotenzial verfügen.

Zu Ende wäre es dann wohl mit der derzeit herrschenden Transparenz; befördert würde vielleicht die Möglichkeit zur Verschleierung. Hätte ein Bundestheater-„General“ angesichts der Burgtheater-Malversationen Mehreinnahmen der Staatsoper zur Bilanzcamouflage heranziehen können, wären die Unregelmäßigkeiten je „aufgekommen“?

So oder so ist es jedenfalls günstig, wenn zumindest in einem Haus ein adäquater Spielplan gemacht wird, der Besucher aus nah und fern anlockt und die Kassen füllt – wem auch immer schwarze Zahlen dann zugutekommen.

Weiterhin völlig außer Reichweite scheint im Gegensatz zu dieser kaufmännischen Melange eine Zusammenführung, die tatsächlich wünschenswert schiene: die inhaltliche Koordination der drei Wiener Opernhäuser. Eine Harmonisierung der Spielpläne von Staats- und Volksoper mit jenem des Theaters an der Wien würde die Bündelung der immensen kulturellen Ressourcen unseres Landes kräftig befördern.

Dazu wäre freilich eine gemeinsame Willensbildung von Bund und Stadt nötig, womit das Projekt nach österreichischem Naturgesetz von vornherein zum Scheitern verurteilt wäre; es sei denn, es hätte ein Kulturpolitiker einmal eine wirklich zukunftsträchtige Vision – und das Potenzial, eine solche umzusetzen.

E-Mails an:wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2016)

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