Sicherheit ist eine sichere Bank

STEIERMARK: ANTI-TERROREINSATZ IN GRAZ
STEIERMARK: ANTI-TERROREINSATZ IN GRAZAPA/ERWIN SCHERIAU
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Antiterror ist derzeit der kleinste gemeinsame koalitionäre Nenner. Und ein Thema, das sich sehr gut verkaufen lässt.

Das Timing hätte besser nicht sein können. Kurz nach der spektakulären Festnahme eines 17-jährigen Terrorverdächtigen – der nachträglich allerdings etwas weniger gefährlich erscheint – platzt mitten in die Debatte über die Verschärfung der Sicherheitsgesetze der nächste große Antiterroreinsatz. Donnerstagfrüh rückten 800 Beamte aus, um Extremisten in Wien und Graz festzunehmen. Die IS-Anhänger sollen versucht haben, eine Art Mini-Gottesstaat zu errichten.

Auf diese Informationen musste man jedoch bis zum Abend warten. Als Wolfgang Sobotka retour aus Malta war. Nicht die zuständige Staatsanwaltschaft, sondern der Innenminister lud zur „Eilpressekonferenz“. Ein Déjà-vu. Wie vergangenen Freitag nutzte Sobotka die eindrucksvollen Ermittlungserfolge (die freilich die schon bestehende Gesetzeslage ermöglicht hat) für ein allgemeines Plädoyer zur Verschärfung der Sicherheitsgesetze. Die daneben stehenden Experten kamen eher spärlich zu Wort. Sobotka weiß natürlich, was er da macht. Und warum Häme oder interne Befindlichkeiten ihm egal sind.

Denn: Sicherheit zieht. Und die Konkurrenz schläft nicht. In der globalen Schlechtwetterlage versuchen viele Parteien hier mitzunaschen. Auch die SPÖ. Das zeigt das Sicherheitspaket, auf das sich Sobotka und der Verteidigungsminister (SPÖ) – ebenfalls gestern – geeinigt haben sollen. Bestandteil ist dem Vernehmen nach die Fußfessel für Gefährder (wie immer die definiert werden). Eine solche „Verdachtsstrafe“, warnten Juristen in der „Presse“, könne die Menschenrechtskonvention verletzen. Rechtlich ist die Umsetzung schwer vorstellbar. Politisch offenbar nicht.
Was nicht überrascht. In Deutschland wird die Fußfessel für Gefährder vom SPD-Justizminister unterstützt. Auch Christian Kern ließ vorab Sympathien erkennen. Aber nicht nur im Bund, auch auf Landesebene schwingen Rot und Schwarz im Gleichklang, etwa in Wien: Der Wiener VP-Chef wirbt als Leiter der schwarzen Städteplattform für „sichere Städte“, der SPÖ-Wohnbaustadtrat für „sicheres Wohnen“.

Sicherheit ist derzeit so etwas wie der kleinste gemeinsame politische Nenner. Doch bei aller Erleichterung darüber, hier etwas weiterzubringen, sollten ÖVP und SPÖ ihre „Werte“, so man dieses Wort nach Frank Stronach noch gebrauchen darf, nicht ganz beiseite schieben. Zur Erinnerung: Die SPÖ verstand Sicherheit lang so wie der scheidende SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel, nämlich sehr weit: als „soziales Bürgerrecht“. Und die ÖVP sah sich stets als Hüterin bürgerlicher Freiheiten. Wenn Reinhold Mitterlehner sagt: „Ohne Sicherheit gibt es keine Freiheit“, denkt er dann auch daran, dass es ohne Freiheit keine Sicherheit gibt, sondern bloß Verunsicherung?

Inhaltlich verknüpft das ÖVP-SPÖ-Paket Fragen der Sicherheit mit jenen des Asyls. Und ja, es gibt hier einen traurigen Zusammenhang. Aber keinen ausschließlichen. Das wäre verkürzt. Zumindest in Österreich waren bisher die Protagonisten der Terrorprozesse oft schon länger im Land oder wurden hier geboren.

Vom Ablauf her erinnert der aktuelle Fall an die Aktion „Palmyra“ , bei der Mirsad Omerovic verhaftet wurde. Dem brandgefährlichen salafistischen Prediger, der zuvor in einer vom Stadtschulrat kontrollierten Wiener Schule als Religionslehrer tätig war, folgten Jugendliche – so formulierte es ein Zeuge damals – „wie Entlein der Entenmama“. Der Prozess vermittelte einen Eindruck, wie man sich in radikalen Moscheen zwischen Graz und Wien einen Gottesstaat so vorstellt. „Profil“ schilderte einen beklemmenden Dialog: Ein „blutjunger Lieblingsschüler“ Omerovics zeigte dem Richter auf seinem Handy ein Video von der Steinigung einer Frau und fragte: „Wo ist das Problem?“ Was soll man diesem Beinahekind darauf antworten, wo anfangen vor Fassungslosigkeit?

Solche Szene zeigen, dass es mit der ÖVP-SPÖ-Übereinkunft nicht getan ist. Ja zur Härte gegen Hetzer, staatsgefährdende Prediger, aber das Problem beginnt früher: Schulen, Kindergärten, Religionsgemeinschaften müssen Verantwortung wacher wahrnehmen – und die nötigen Ressourcen bekommen. Es braucht nicht nur ein Sicherheits-, sondern auch ein Gesellschaftspaket. Selbst wenn sich das nicht so gut verkaufen lässt.

E-Mails an: ulrike.weiser@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2017)

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