Leitartikel

Der langsame Lernprozess des Newcomers im Weißen Haus

US-Präsident Donald Trump
US-Präsident Donald Trump REUTERS
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In der Außenpolitik hat US-Präsident Donald Trump seine Wahlkampfparolen über den Haufen geworfen. Als Oberbefehlshaber spielt er aber mit dem Feuer.

Beim Dessert – dem „wunderbarsten Schokokuchen“ – in seiner Urlaubsresidenz Mar-a-Lago in Florida habe er seinen Gast über den Militärschlag gegen den syrischen Diktator Assad informiert, verriet Donald Trump gewohnt prahlerisch und im Plauderton jetzt in einem Interview. Der US-Präsident erzielte den gewünschten Effekt: Nicht nur Xi Jinping, Chinas Staatschef, war vorige Woche ziemlich perplex, ja, womöglich sogar beeindruckt, sondern mit ihm die ganze Welt – nicht zuletzt die Feinde der USA in Damaskus, Pjöngjang und wohl auch in Moskau.

Die Aktion hat gezeigt: Donald Trump ist für jede Überraschung gut. Und: Man sollte den Mann im Weißen Haus nicht an den Worten von gestern und vorgestern messen. Was er selbst als Flexibilität bezeichnet, würden Verbündete wie Gegner als Unberechenbarkeit charakterisieren. Dass er situativ und oft instinktiv reagiert, ist seine vielleicht stärkste Waffe, zugleich aber auch seine größte Schwäche. Trump war nie ein Ideologe, er versteht sich als Pragmatiker und – unter dem Motto „Was mir nützt, ist mir recht“ – als Opportunist. In der Welt des Donald Trump gibt es keine fest gefügten Gewissheiten.

Was die Trump-Regierung dieser Tage zur Verwunderung von Freund wie Feind offenbart, ist indes eine auf den Kopf gestürzte Weltsicht. Trump sei zum „König der Flip-Flopper“ avanciert, urteilte die „Washington Post“. Hatte sich der New Yorker Immobilientycoon vor Jahren über Barack Obamas „rote Linien“ in Syrien mokiert und vor einer Intervention gewarnt, exekutiert er nun eine gegenteilige Politik. Im Wahlkampf schmähte er die Nato als obsolet und China als Währungsmanipulator, das mit Handelszöllen zu belegen ist – alles Schnee von gestern.

Im Trump-Kosmos tauschten der russische und der chinesische Präsident die Rollen: Der vermeintliche Lieblingspartner Wladimir Putin mutierte zum Schurken und Helfershelfer des „Schlächters“ Bashar al-Assad, der als Erzfeind punzierte Xi Jinping zum neuen Darling Washingtons. Wollte Trump ursprünglich den Part als Sheriff der Weltpolitik aufgeben, so postulierte Außenminister Rex Tillerson jüngst den Anspruch als globale Ordnungsmacht und moralischer Schutzpatron. Bei George W. Bush, der angetreten war, eine eher isolationistische Politik zu betreiben, setzte der Lernprozess jäh mit dem 9/11-Terror ein. Bei Donald Trump vollzieht er sich indessen evolutionär.

Die Verschiebung der Perspektive geht auf den Einfluss seiner Tochter Ivanka und ihres Manns, Jared Kushner, zurück. Während Chefstratege Stephen Bannon als graue Eminenz und Verfechter einer innenpolitischen und rechtspopulistischen Agenda in der Gunst des Präsidenten gesunken ist, stiegen die Exgeneräle im Trump-Team auf. Seit seinen Tagen als Zögling eines Militärinternats hegt er ein Faible für die Streitkräfte. Nun hat er als Präsident Gefallen an seiner Position als Oberbefehlshaber der stärksten Armee der Welt gefunden, die ihm ein Bombenarsenal als mächtigstes, aber auch gefährlichstes Abschreckungsinstrument an die Hand gibt. Ob er weiß, dass es ein Spiel mit dem Feuer ist?


Um Nordkoreas Diktator Kim Jong-un einzuschüchtern, schickte der US-Präsident prompt den Flugzeugträger USS Carl Vinson los. Kim bereitet einen unterirdischen Atomtest vor, ein Feuerwerk zum „Tag der Sonne“, dem 105. Geburtstag des Groß- und Stammvaters Kim Il-sung. Mit martialischen Worten und Gesten Trumps ist es aber nicht getan. Dass ein US-Warnschuss gegen das Kim-Regime ein apokalyptisches Szenario auslösen würde, das zuerst die Verbündeten in Südkorea träfe, hat just Xi Jinping dem außenpolitischen Newcomer Trump vor Augen geführt.

Donald Trumps Muskelspiele ersetzen keine Politik. Sie beweisen vorerst nur, dass die Kims, Assads, Xis oder Putins ihn ernst nehmen müssen. Es wäre vermessen, von ihm ein Ende des Schlamassels in Syrien, des Abenteuers in Afghanistan und im Irak oder des Konflikts in Nordkorea zu erwarten. Fürs Erste hilft die Nordkorea-Lektion Xis, dass alles ziemlich kompliziert sei. Donald Trump lernt also im Amt. Das ist mehr, als ihm seine Gegner zubilligten. Jetzt muss er noch eine Strategie entwickeln, damit die Welt nicht aus den Fugen gerät.

E-Mails an:thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2017)

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