Leitartikel

Bitte, lieber Staat, schenk uns heuer besser nichts mehr!

Europäische Zentralbank
Europäische ZentralbankAPA/AFP/DANIEL ROLAND
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Der Aufschwung ist da. Das ist gut – aber gefährlich. Die Euphorie könnte die Regierung verleiten, vor der Wahl schnell Geld zu verteilen, das gar nicht da ist.

Endlich ist alles wieder gut. Zehn Jahre nach dem Kollaps der internationalen Finanzmärkte lässt auch Österreichs Wirtschaft das Jammertal hinter sich. Die Konjunktur im Land ist robust und wird es bis über das Ende des Jahrzehnts auch bleiben. Die heimischen Unternehmen nehmen wieder Kredite auf und investieren. Und sogar die (immer noch viel zu hohe) Arbeitslosenrate in Österreich beginnt schön langsam zu sinken. Das alles ist gut. Aber es ist auch gefährlich.

Gefährlich ist es deshalb, weil der Eindruck entstehen könnte, die Österreicher – oder gar die scheidende Regierung – hätten sonderlich viel mit dieser Entwicklung zu tun. Sicher, die heimischen Unternehmen waren fit genug, um die bessere globale Konjunktur für sich zu nutzen. Und auch die Steuerreform hat die Österreicher zumindest im Vorjahr wieder in die Geschäfte gelockt. Bis 2020 wird von diesem Strohfeuer aber nichts mehr übrig sein.

In Wahrheit bekommt ganz Österreich diesen Aufschwung quasi geschenkt. Der edle Spender sitzt aber nicht auf der Regierungsbank in Wien, sondern in der Europäischen Zentralbank in Frankfurt. EZB-Präsident Mario Draghi kauft immer noch Staats- und Unternehmensanleihen quer durch Europa auf und hält die Zinsen auf dem niedrigsten Stand, den Europa je gesehen hat. Diese Geldschwemme ist der wahre Treiber hinter der Erholung der Euroländer. Doch der künstlich generierte Boom ist nicht von Dauer, wenn nicht die nötigen Strukturen geschaffen werden, damit sich der Aufschwung selbst trägt. Genau das hat die österreichische Regierung (wie viele andere europäische auch) in den letzten Jahren verschlafen. Sie hat die lange Zeit der Nullzinsen nicht genutzt, um den öffentlichen Haushalt zu sanieren wie die Deutschen. Sie hat die gute Konjunktur nicht genutzt, um Überregulierung abzubauen, das Steuersystem umzukrempeln, Antworten auf die demografischen Probleme des Landes zu finden oder das Sozialsystem langfristig abzusichern.

Kurz, es wurde nichts unternommen, um dafür zu sorgen, dass Österreichs Wirtschaft auch dann noch brummt, wenn die EZB ihre Geldspritzen wieder einpackt. Dieser Tag wird schneller kommen als gedacht. Im nächsten Jahr wird die EZB wohl aufhören, Staatsanleihen zu kaufen und auch den Leitzins anheben. Dann wird das Land seine Baustellen nicht mehr mit Billigkrediten zukleistern können.

Von all dem werden wir im kommenden Wahlkampf herzlich wenig zu hören bekommen. Stattdessen werden Politiker aller Couleurs keine Gelegenheit auslassen, das kleine Wirtschaftswunder für sich zu reklamieren – und weitere Wunder für den Fall ihrer Wiederwahl zu versprechen. Zeit, um ihren „guten Willen“ per teuren Wahlzuckerln zu beweisen, haben sie leider genug.

Was das für das Land bedeuten kann, haben die Österreicher vor neun Jahren schon einmal schmerzlich erfahren. Am 24. September 2008 – wenige Tage vor der jüngsten vorgezogenen Nationalratswahl – schleuderte die tote Koalition in einer einzigen Nacht Wahlgeschenke im Wert von jährlich knapp fünf Milliarden Euro raus. Beschlossen wurden etwa die 13. Familienbeihilfe, die Verlängerung der Hacklerregelung, das Aus für die Studiengebühren und eine vorgezogene Pensionserhöhung. In Summe kostete der Spaß den Steuerzahler bis heute rund 30 Milliarden Euro. Geld, das die Republik nicht hat. Wiederholt sich diese Horrornacht, nehmen sich die Parteien vor der Wahl die Möglichkeit, danach ernsthafte Standortpolitik zu betreiben. So gut wie alle versprechen Steuersenkungen. Die Chance, dass hier etwas Sinnvolles passiert, ist zumindest da. Nicht aber, wenn das Fell bis dahin schon verteilt ist.

Die gute Nachricht: Auch die Regierung scheint das Debakel von 2008 noch in schlechter Erinnerung zu haben. Sowohl SPÖ als auch ÖVP geloben, ein ähnliches Massaker verhindern zu wollen. So ganz trauen sie sich aber anscheinend selbst nicht über den Weg. Die Nationalratspräsidenten Doris Bures (SPÖ) und Karlheinz Kopf (ÖVP) haben vorgeschlagen, die Nationalratssitzungen am 12. und 13. Oktober zur Sicherheit abzusagen. Das ist gar keine schlechte Idee: Diese zwei freien Tage hätte sich das Land wirklich verdient.

E-Mails an: matthias.auer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2017)

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