Leitartikel

Natürlich werden wir in Zukunft länger arbeiten müssen

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Sozialminister Alois Stöger erklärt die Pensionen auch ohne Reformen wieder einmal für sicher. Mit den realen Fakten hat das aber leider nur wenig zu tun.

Im Jahr 1995 klang das Ganze so: „Heuer gibt es eine ,schöne Bescherung‘ für alle, die ihren verdienten Ruhestand genießen oder sich schon darauf freuen: Die ÖVP wollte bestehende Pensionen kürzen und das gesetzliche Pensionsalter überfallsartig erhöhen! Das habe ich persönlich verhindert.“

Ende 2007 hieß es dann: „In den letzten sieben Jahren sind die Pensionen immer weniger wert geworden. Nur ein einziges Mal hat die Vorgängerregierung die Teuerung abgegolten. Das ist nicht anständig. Darum haben wir die Pensionen jetzt kräftig erhöht.“

Heuer lautet der Wortlaut so: „Wir wollen Altersarmut verhindern. Wir haben es geschafft, dass wir bei den Pensionen angehoben haben. Es wäre völlig falsch, hier zu kürzen.“ Und auch eine Anhebung des Antrittsalters würde nur „woanders Probleme schaffen“.

Das Pensionsthema ist also auch in diesem Wahlkampf angekommen. Waren es 1995 und 2007 noch die damaligen SPÖ-Vorsitzenden Franz Vranitzky und Alfred Gusenbauer, die sich per Brief an potenzielle Wähler wandten, so war es nun SPÖ-Sozialminister Alois Stöger, der mittels Interviews seine Botschaft kundtat. Die Losung war jedoch in allen drei Fällen die gleiche: Die Pensionen sind sicher. Es braucht keine wirklichen Reformen.


Diese Aussage mag zwar in einem Wahlkampf die eine oder andere Stimme eines verunsicherten Pensionisten bringen (obwohl laufende Pensionszahlungen von Reformen in der Regel ohnehin nicht betroffen sind). Sie ist aber einfach falsch. Und dazu braucht man gar nicht Experten von OECD, Rechnungshof oder Wifo zu zitieren, die sich in dieser Frage immer wieder einhellig äußern. Es reichen ein paar simple Daten der Statistik Austria und ein wenig mathematisches Verständnis.

1970 lag die durchschnittliche Lebenserwartung in Österreich noch bei knapp über 66 Jahren, heute liegt sie bei fast 79 Jahren. Eine schöne Entwicklung, die uns die Medizin, aber auch die allgemein gesündere Lebensweise beschert haben. Allerdings hat der Pensionsantritt damit nicht mitgehalten. Gingen die Menschen hierzulande 1970 mit etwas über 61 Jahren in Pension, fiel das Pensionsantrittsalter über die Jahre sogar auf rund 58 Jahre. Erst in jüngster Zeit ist dieser Wert, vor allem aufgrund der Pensionsreform von 2003, wieder auf knapp über 62 Jahre angestiegen. Der starke Anstieg der Lebenserwartung konnte damit aber in keinem Fall ausgeglichen werden.

Für den Einzelnen eine wunderbare Sache. Fitte Jahre im Alter, in denen man sich ohne finanziellen oder zeitlichen Druck den eigenen Interessen widmen kann. Für die Gesellschaft als Ganzes jedoch zunehmend ein Problem. Denn die Ausgaben für die Alterssicherung steigen rasant an. Allein von 2015 auf 2016 erhöhten sich die Zahlungen des Staates (also Pensionsversicherung und Steuern) für die Alterssicherung um 1,4 Milliarden auf 45,9 Milliarden Euro. Damit fließen 60 Prozent aller heimischen Sozialausgaben an die österreichischen Pensionisten.

Gleichzeitig wird die Gruppe der Zahler im Pensionssystem immer geringer, da seit Jahrzehnten weniger als die für den Erhalt des Systems notwendigen 2,1 Kinder je Frau geboren werden. Heute sind es noch 3,4 Aktive je Rentner. Bis 2060 wird die Zahl laut Statistik auf unter zwei sinken.


Es gebe drei Methoden, um das Pensionssystem zu reformieren, erklärte Wifo-Chef Christoph Badelt jüngst in dieser Zeitung. Die erste sei, Pensionen zu kürzen. Die zweite sei, die Beiträge der Aktiven zu erhöhen. Und die dritte sei, das Antrittsalter nach oben zu schrauben. Welche davon gewählt werde, müsse jedoch die Politik entscheiden.

Da das Kürzen bestehender Pensionen (außer bei extrem hohen Sonderpensionen) aus gutem Grund als politisches No-go gilt und höhere Beiträge für die Aktiven angesichts horrender Lohnnebenkosten wohl auszuschließen sind, bleibt wohl nur Lösung Nummer drei: Wir werden in Zukunft länger arbeiten müssen. Diese Wahrheit ist den Menschen auch zumutbar. Selbst in einem Wahlkampf.

E-Mails an:jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2017)

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