Leitartikel

Holen Sie sich doch den Wahlkampf, der Ihnen zusteht

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Über 50 TV-Formate bis zur Wahl, dafür hat Peter Pilz nur ein einziges Plakat. Was die bisherige politische Auseinandersetzung über die Wähler sagt.

Knapp fünf Wochen sind es noch bis zur Parlamentswahl, da zündet die nächste Stufe des Intensivwahlkampfes. Nach dem Ende der ORF-Sommergespräche laufen bis zum 15. Oktober über 50 (!) Politik-Formate mit Beteiligung der sechs Spitzenkandidaten im Fernsehen. Österreichs politisches All-you-can-eat-Buffet steht dabei im krassen Gegensatz zur Nouvelle Cuisine aus der Diät-Küche von Angela Merkel. Nur ein einziges direktes Duell gönnte die Amtsinhaberin ihrem SPD-Herausforderer Martin Schulz, den deutschen TV-Sendern – vor allem aber auch den deutschen Wahlberechtigten.

Dieses Missverhältnis vor Augen kritisieren nun die einen die deutsche Bundeskanzlerin, die sich in Putin-Manier Konfrontationen mit dem politischen Gegner entzöge, die anderen halten dafür die massive Politikerpräsenz auf allen österreichischen Kanälen für Wählervertreibung und gar für demokratiegefährdend.

Doch an wen richtet sich eigentlich solche Wahlkampfkritik? An die Medien? Die Politiker, die gar nicht oder eben ständig in die Studios laufen? Oder nicht doch viel eher an den viel zitierten Souverän, der durch sein Interesse Themen und Formate im Wahlkampf wesentlich vorgibt?

Aber der Reihe nach: Sinnvollerweise kann man den TV-Sendern keinen Vorwurf machen, Informationsauftrag (ORF) hin, Profilierungsversuch als ernst zu nehmende Medien (Private) her; die Fernsehmacher richten sich primär nach den Einschaltziffern. Gäbe es keine Zuschauer, würde niemand senden. Die Konfrontation zwischen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und der grünen Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek in Puls 4 sahen am Montagabend beispielsweise 314.000 Menschen. Man kann sich ungefähr vorstellen, wie hoch da das Interesse an Begegnungen zwischen Christian Kern und Sebastian Kurz ist.

Auch die Spitzenkandidaten selbst könn(t)en ihre Medienpräsenz steuern, und natürlich tun sie das auch. Angela Merkel, die in Umfragen meilenweit vorne liegt, hat wenig Interesse, ihren blassen Kontrahenten in zig TV-Konfrontationen neues Leben einzuhauchen. Deshalb mussten sich vier große Sender mit einem gemeinsamen Termin begnügen. Und haben sich das ebenso wie die Wähler ohne Murren gefallen lassen. Die öffentliche Meinung hätte die Macht gehabt, Merkel öfter ins Fernsehen zu zwingen.

Anders als die einflussreichste Politikerin der EU kann sich der in den Umfragen führende österreichische Außenminister nicht so ohne weiteres entziehen. Dort wo es möglich war, bei einer geplanten Konfrontation mit dem Bundeskanzler für Ö1 und ORF III, hat er ohnehin das Baltikum vorgezogen.

Aber auch Christian Kern steht nicht deshalb für zig TV-Auftritte zur Verfügung, weil ihm kritischer Journalismus so wichtig ist, sondern weil er jede Chance ergreifen muss, Boden gut zu machen. Dasselbe gilt für die Oppositionsparteien, die im politischen Normalbetrieb deutlich weniger Bildschirmpräsenz haben als die Koalition. Allerdings sollten die Parteien bei ihrer „Wo ist die nächste Kamera?“-Taktik doch die Lehren aus der unendlichen Hofburgsaga 2016 nicht vergessen, als eines der Konfrontationsformate ohne Moderator den Wahlkampfzug fast zum Entgleisen gebracht hätte. „Scheibenwischer“ des nunmehrigen Präsidenten inklusive.


Doch Wahlkampf ist letztlich nur so präsent, inhaltsleer und schmutzig kampagnisierend, wie die Adressaten ihn sein lassen. Was keine Stimmen bringt, wird sich schnell aufhören. Und die viel zitierten und vermissten Zukunftsthemen sind offenbar auch jene, die den Wähler kälter lassen als etwa die omnipräsente Sicherheit. Sollte übrigens die klassische TV-Konfrontation immer noch das beste Mittel sein, um hierzulande Wähler zu erreichen, sagt das auch viel über unsere Gesellschaft aus. Ebenso, ob der aus Geldnot geborene Ein-Plakat-Wahlkampf von Peter Pilz letztlich über soziale Medien kompensiert werden kann.

Und für alle, denen es dennoch zuviel Politik im Fernsehen gibt, ein zugegeben radikaler Tipp: Man könnte auch ausschalten.

E-Mails an:florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2017)

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