Leitartikel

Es wird sich nicht viel ändern – und das ist wohl auch gut so

(c) APA/AFP/SAUL LOEB
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US-Präsident Donald Trump hat einen neuen Notenbank-Chef ernannt – und mit seiner Wahl signalisiert, dass er keine Änderung der Notenbank-Politik will.

Es wird sich nicht viel ändern – und das ist eigentlich gut so. Auf diesen schlichten Nenner könnte man die jüngste Personalentscheidung von US-Präsident Donald Trump bringen: Er hat den 64-jährigen Juristen und Ex-Investmentbanker Jerome Powell zum Nachfolger von Janet Yellen an der Spitze der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) ernannt. Und damit signalisiert, dass er keine Änderung der Fed-Politik will. Sondern nur ein neues Gesicht. Denn Powell gehört seit fünf Jahren dem Spitzengremium der Notenbank an, war einer der wichtigsten Unterstützer von Yellen und gilt als Pragmatiker mit wenig Hang zu radikalen Schritten.

Natürlich kann man jetzt, wie das auch ausführlich geschieht, darüber streiten, ob ein Jurist und Investmentbanker der richtige Mann an einer Stelle ist, die bisher den brillantesten Ökonomen vorbehalten war. Und natürlich kann man kritisieren, dass Trump aus purem Anti-Obamaismus mit einer jahrzehntealten Tradition bricht, die verdienten Fed-Chefs bisher ungeachtet ihrer Parteipräferenz eine zweite Amtsperiode gewährte. Wenngleich diese Kritik aus einem Land, in dem Umfärbungen nach politischen Machtwechseln an der Tagesordnung sind, etwas seltsam klingen würde.

Aber es geht hier nicht um amerikanische Innenpolitik. Sondern um eine der wichtigsten Positionen in der Weltwirtschaft. Die USA sind, auch wenn China stark aufholt, immer noch die bei Weitem stärkste Wirtschaftsnation dieses Globus. Und der Dollar ist immer noch unangefochten die Weltleitwährung. Die ganze Welt muss beispielsweise, um in Dollar gehandelte Rohstoffe wie etwa Erdöl zu importieren, Greenbacks kaufen. Was immer in der US-Notenbank geschieht, hat also sehr direkte Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaftswelt.

Und sie ist derzeit, zumindest in ihrem industrialisierten Teil, in einer heiklen Phase: Die Fed hat (wie auch beispielsweise die Europäische Zentralbank und die japanische Notenbank) auf den Lehman-Schock des Jahres 2008 mit einer ungeheuren Geldschwemme reagiert. Diese Notfallmedizin hat gewirkt: Der ganz große Crash à la Dreißigerjahre ist der Welt erspart geblieben. Aber die Notfallmedizin ist wegen ihrer gravierenden Nebenwirkungen für Dauermedikation nicht geeignet und muss nun langsam zurückgefahren werden.

Genau damit hat die Fed (im Gegensatz zur europäischen EZB) schon begonnen. Und es ist ein Drahtseilakt: Geht der Ausstieg zu langsam, dann werden die Verwerfungen der Nullzinspolitik und der Marktflutung wirtschaftsschädigend. Geht er zu schnell, dann drohen Schocks auf den aufgeblasenen Aktien- und Immobilienmärkten. Und damit möglicherweise eine neue globale Finanzkrise.

Daran kann auch ein Donald Trump bei aller Irrationalität mancher seiner Entscheidungen nicht interessiert sein. Weder als US-Präsident noch als privater Immobilien- und Finanzgroßinvestor. Es ist also nicht sonderlich verwunderlich, dass er ganz offensichtlich die Kontinuität gewählt hat. Die Märkte haben dieses Signal auch verstanden. Die erste Reaktion der Weltbörsen war jedenfalls business as usual.

Wir können also davon ausgehen, dass der viel beschworene drohende Finanzmarktcrash wegen absehbarer Zinsschocks vorerst einmal aufgeschoben ist. Powell ist eben, nicht nur wegen seiner Investmentbankervergangenheit, ein Mann der Wall Street. Auch deswegen, weil er als Deregulierer gilt.

Das freilich ist die weniger lustige Seite der Fed-Personalie. Die Finanzkrise von 2008, wegen der die Fed-Geldschwemme überhaupt erst notwendig wurde, war ja nicht zuletzt deshalb ausgebrochen, weil ein völlig von der Leine gelassener Finanzsektor keine Risikogrenzen mehr kannte. Diese Finanzanarchie ist seit 2008 ein wenig eingefangen worden. Hier die Zügel zu stark zu lockern, wäre wohl nicht ungefährlich.
Aber das ist derzeit ohnehin nur Spekulation. Der Neue tritt ja erst im kommenden Februar an. Dann erst werden wir sehen, wie er die Sache wirklich anlegt.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2017)

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