Der Opernball braucht Alfons Haider!

PK DES ORF ZUM WIENER OPERNBALL 2009
PK DES ORF ZUM WIENER OPERNBALL 2009(c) APA (Georg Hochmuth)
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Nachdem der Moderator Österreich als verschissenes Land bezeichnet hat, fordern empörte Bürger, er müsse auswandern oder wenigstens die Opernball-Moderation abgeben. Niemals!

Auf die Frage, warum er nach seinem Homosexuellen-Outing vom ORF „hinausgeschmissen“ worden sei und für ein Jahr alle Jobs verloren habe, sprach Alfons Haider in der ORF-Sendung „Willkommen Österreich“: „Weil wir in einem verlogenen, verschissenen Land leben.“ Weil nämlich: „Wir leben heute in einem Land, in dem wie in keinem anderen mitteleuropäischen Land – katholisch – so viele Frauen und Kinder verprügelt werden, und diese Gfraster schauen alle zu.“ Seine Mutter, berichtet Haider, sei nach seinem Outing geschlagen worden. Und Flüchtlinge würden in Österreich „wie Tiere behandelt und wieder ausgesiedelt“.

Aber hallo. Jetzt tobt der Streit der Exegeten und Claqueure. „Krone“-Kolumnist Michael Jeannée, der Hemingway für Arme, schilt den Opernball-Moderator in seinem ersten Brief nach der Rückkehr vom Urlaub. In „Österreich“ wird die entscheidende Frage gestellt: Darf ein Nestbeschmutzer, der sagt, es sei ein „verschissenes Land“, den Opernball moderieren?

Liebe Leute, es ist so: Die Wortwahl Alfons Haiders war nicht sehr elegant. Für seine Behauptung, dass in Österreich mehr Frauen und Kinder geschlagen würden als anderswo, gibt es keinen Beleg. Seine Einschätzung, dass in Österreich Flüchtlinge überwiegend wie Tiere gehalten und wieder ausgesiedelt würden, zeigt, dass er vom Flüchtlingswesen wenig bis nichts versteht.

Aber seine Verlogenheitsdiagnose wird man nicht leicht widerlegen können.

Alfons Haider weiß, wovon er spricht, weil er selbst Teil der österreichischen Verlogenheitsindustrie ist. Sie hat ihre Hauptproduktionsstätten im B-Promi-Milieu. Diese Industrie lebt davon, den Mangel an künstlerischer oder intellektueller Relevanz durch die regelmäßige Demonstration von politischer Korrektheit zu kompensieren. Alfons Haider hat also in seinem beruflichen Umfeld ausschließlich mit Menschen zu tun, die gelernt haben, dass man Homosexualität super finden muss. Man muss verstehen, dass ihn die gelegentliche Konfrontation mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit ehrlich zornig macht. Und der ORF bietet Sendegefäße für alles: den ehrlichen Zorn und die verlogenen Reaktionen darauf.

Die zweite Spielart der Verlogenheit ist die politische: Man weiß, dass es in der breiten Masse nach wie vor schwere Vorbehalte gegen Homosexuelle gibt. Weil an der Aufhebung der Diskriminierung kein Weg vorbeiführt, verweigert man den gleichgeschlechtlichen Partnern lächerlicherweise die Zeremonie auf dem Standesamt, um den „normalen“ Menschen zu signalisieren: Wir mögen „die“ eh auch nicht, aber was sollen wir machen?

Die Forderung, Alfons Haider die Opernball-Moderation zu entziehen, ist jedenfalls vollkommen absurd. Es gibt keine schönere Gelegenheit, beide Verlogenheiten auf einen Streich zu entlarven: die des Landes und die des Moderators, der freundlich die Gfraster interviewt, die angeblich Kinderschänder und Flüchtlingstierhalter gewähren lassen. Das alles im ORF. Wo sonst?

michael.fleischhacker@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2010)

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