Der Fahrplan stimmt, jetzt muss er nur noch eingehalten werden

Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache
Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache(c) APA/HANS PUNZ
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Drei gute Jahre geben uns die Ökonomen noch bis zum nächsten Wirtschaftsabschwung. Bis dahin sollte der Staat fit für die Steuersenkung sein.

Was macht ein guter Segler, wenn der Wind günstig ist? Er schrubbt das Deck, er überprüft das Equipment, er nimmt Ausbesserungsarbeiten vor. Der konjunkturelle Wind ist günstig für die neue Bundesregierung. Die Wirtschaftsforscher geben uns noch drei gute Jahre, heuer wächst der Wohlstand um 2,7 Prozent, kommendes Jahr etwas weniger stark, aber immer noch um die 2,5 Prozent. Wenn das Segel prall ist, rüstet sich ein weiser Kapitän vor dem nächsten Sturm.

Noch immer nicht sind auf dem rot-weiß-roten Staatsschiff die Spuren des letzten Orkans verschwunden. Die Staatsschuldenquote kletterte im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise auf 84 Prozent, die Arbeitslosigkeit liegt bei knapp 8,5 Prozent und somit weit von dem entfernt, was wir gewohnt sind. Mit anderen Worten: Wir sollten den Kahn richtig auf Vordermann bringen, bevor wir wieder hart gegen den Wind segeln müssen.

Und dafür sind keine waghalsigen Manöver nötig. Dank der niedrigen Zinsen und des guten Wirtschaftsklimas genügt es, in den kommenden Jahren die EU-Kriterien zu erfüllen. Wir müssen nicht einmal die alten Schulden zurückzahlen, wir dürfen nur keine neuen machen. Sprich: ein strukturelles Defizit von 0,5 Prozent des BIP schaffen. Das ist möglich – mit viel Disziplin und wenig Populismus.

Leider hatten die österreichischen Regierungen mit den EU-Kriterien in der Vergangenheit so ihre liebe Not. Während wir nämlich in Sachen Staatshaushalt und Budgetdisziplin vieles – im wahrsten Sinne des Wortes – schuldig geblieben sind, war Österreich bei anderen EU-Maßnahmen regelrechter Musterschüler. Kein Land hat die EU-Lebensmittelverordnung so rigoros umgesetzt wie Österreich, nirgendwo wurden so viele Natura-2000-Umweltzonen ausgewiesen wie bei uns. Kein Land hat sich das Leben selbst so schwer gemacht, weil es zum Teil überzogene EU-Vorgaben noch radikaler auslegte – zum Schaden des Standorts.

„Golden Plating“ nennt man, wenn man päpstlicher als der Papst ist. Damit, so betont die schwarz-türkis-blaue Regierung, soll nun Schluss sein. Freilich hätte man diese Abkehr vom europäischen Musterschüler auch etwas eleganter vollziehen können als ausgerechnet mit einer Kehrtwende bei einem strengeren – in den meisten EU-Ländern bereits üblichen – Rauchergesetz.

2020 soll also die große Steuerreform kommen. Lieber warten und gut vorbereiten als husch pfusch wie in der Vergangenheit. Dass die Regierung sich ganz groß die Entlastung des Tourismus und der Gastronomie auf die Fahnen heftet, zeugt von schlechtem Gewissen. Einen der wichtigsten Wirtschaftszweige des Landes bei der letzten Steuerreform derart vorzuführen und zu belasten, steht einer „Unternehmerpartei“ – als die sich die ÖVP definiert – nicht gut zu Gesicht. Und dass der neue ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger heißt, und nicht Hans Jörg Schelling, hat vor allem auch mit Registrierkassa und Unternehmer-Bashing zu tun. Es ist ein guter Anfang, wenn eine Partei Fehler zugibt.

Aber jetzt muss das Staatsdeck geschrubbt werden. Doppelgleisigkeiten in der Verwaltung und bei den Förderungen müssen erkannt und beseitigt werden. Das kann in den zwei Jahren bis zur Steuerentlastung gelingen, wenn der Wille – auch vor unangenehmen Entscheidungen vorhanden ist. Doch ist er das? Das mehr als 180 Seiten umfassende Regierungsprogramm ist gespickt mit vielen Details, aber die großen Brocken passen auf ein A4-Blatt: Verwaltungsreform, treffsichere und transparente Förderungen, Kompetenzverwirrungen zwischen Ländern und Bund, Finanzausgleich. Dort, wo die Milliarden vergraben sind, gibt es vorerst nur Überschriften und vage Willensbekundungen. Aber diese Milliarden müssen geborgen werden, damit eine nachhaltige Steuerreform 2020 überhaupt realisiert werden kann.

Der große Wurf gelingt nämlich nicht mit großen Ankündigungen. Er beginnt mit kleinen, mühsamen, mitunter auch undankbaren Aufgaben – Deckschrubben eben.

E-Mails an:gerhard.hofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2017)

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