Mikl-Leitners persönlicher Sieg und ein blaues Auge

Die Ex-Innenministerin schafft die Sensation und hält die absolute Mehrheit. Die FPÖ bleibt unter den eigenen Erwartungen – „dank“ Germania-Skandals.

Es war ein äußerst bemerkenswertes Wahlwochenende für Österreich: Zwei regionale Entscheidungen wurden gefällt, die starke Auswirkungen auf und Bedeutung für das ganze Land haben. Am Sonntag stimmten die Wähler ab, am Samstag die SPÖ-Delegierten. In Niederösterreich gelang Johanna Mikl-Leitner ein politisches Kunststück: Bei ihrem ersten Antreten als Landeshauptfrau verteidigte sie die absolute Mandatsmehrheit, die ihr bei Wahlen sehr erfolgreicher Vorgänger, Erwin Pröll, nach anfänglichem Schwächeln erst hatte zurückerobern müssen.

Das ist mehr als bemerkenswert, weil Mehrheiten um die 50 Prozent in einer mittlerweile höchst volatilen Demokratie eine exotische Seltenheit sind. Die Gründe für dieses Ergebnis sind vielfältig: Mikl-Leitner kommt bei den Wählern besser an, als die Wiener Journalisten und Freizeitkommentatoren das der einstigen Innenministerin mit der authentisch ungeschliffenen Sprache zugetraut hätten. (Diese Gruppe an politischen Spezialisten mit digitalem Spielfeld hatte übrigens auch ein echtes Duell zwischen Andreas Schieder und Michael Ludwig vorausgesagt – mit klarem Vorteil für Schieder.)

Natürlich verfügt Mikl-Leitner über die bestorganisierte Landespartei im ganzen Land, die strukturell und strategisch so funktioniert, wie das selbst Generäle und Konzernchefs kaum kennen. Die Entscheidung Mikl-Leitners und ihrer Berater, nach der Übernahme von Erwin Pröll wenig inhaltlich, sondern ausschließlich atmosphärisch zu punkten, indem Mikl-Leitner innerhalb kürzester Zeit mittels Auftritten, Besuchen und Werbung omnipräsent wurde, hat sich als erfolgversprechend herausgestellt.

Damit wäre nun der Auftrag für Mikl-Leitner klar: Mit diesem Ergebnis der Landtagswahl kann und muss sie nun stärkere eigene Akzente setzen: Soll Niederösterreich, das mit den Finanzen stets zu großzügig, mitunter fahrlässig umgegangen ist, Schuldenberg und Budgetdefizit angehen? Ja bitte. Soll das Land mit klugen Infrastrukturmaßnahmen und gezielter Forschungsförderung Konjunktur und Boom in Teilen des Landes fördern? Ja bitte, mit besonderer Betonung auf klug und gezielt.

Dann hatte Mikl-Leitner einen unfreiwilligen Wahlhelfer: Dass Udo Landbauer unter den eigenen hohen Erwartungen bleibt, ist mit Sicherheit der Germania-Katastrophe zuzuschreiben. Ja, natürlich kann man auch darüber philosophieren, warum immerhin 15 Prozent eine Partei wählen, deren Spitzenkandidat einer Burschenschaft angehört, die noch vor wenigen Jahren Liederbücher drucken ließ, in denen widerwärtige NS- und Holocaust-begeisterte Passagen zu finden sind.
Aber Heinz-Christian Strache weiß jetzt endgültig, was Jörg Haider verstanden hat: Wenn die FPÖ an der braunen Außenseite anstreift, kostet das Stimmen. Im konkreten Fall weitere Zugewinne. Herr Landbauer hat an diesem Sonntag einen kleinen FPÖ-Triumph, den die neue Regierungsmannschaft gern gefeiert hätte, verhindert.

Die Kleinparteien können aufatmen, sollten es aber nicht zu sehr. Die Grünen dürfen im Landtag bleiben, sind in der Bundespolitik aber weiterhin inexistent. Die Neos halten sich bei jedem Wahlausgang für Halbgötter, im längst urban gesprenkelten Niederösterreich hätte eigentlich mehr drinnen sein müssen, zumal Matthias Strolz zuletzt eine Art Oppositionsmodell hatte.

Und die SPÖ? Christian Kern kann einem leidtun. Sein niederösterreichischer Spitzenkandidat Franz Schnabl hatte auf einen kabarettreifen Wahlkampf, bei dem keiner bis auf ihn lachte, gesetzt. Das Miniplus ist ein Rettungsstrohhalm, an den sich die notleidende Bundespartei klammert. Die letzte Hoffnung der Partei liegt bei Michael Ludwig, der beim Parteitag in Wien einen klaren Sieg gegen Schieder gefeiert hat. Schafft er es, die Wiener Partei zu einen, ist die SPÖ wieder da. Dass ein unauffälliges, bodenständiges Regierungsmitglied überraschend deutlich Wahlen gewinnen kann – jenseits von Slim-Fit-Anzugsinszenierung und thematischen Kapriolen –, hat Mikl-Leitner bewiesen. Michael Ludwig wird genau studieren, wie ihr das gelungen ist.

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