Leitartikel

Schon jetzt kommen nur die „Härtesten“ durch

(c) Michaela Bruckberger
  • Drucken

Die schlechten Studienbedingungen sorgen für eine hohe Abbrecherquote. An neuen Zugangsbeschränkungen an den Unis führt kein Weg vorbei.

In den Vorlesungen sitzen die Studenten auf dem Hörsaalboden. In den Seminaren werden die Teilnehmerplätze ausgelost. Und über erfolgreiche Prüfungsanmeldungen entscheiden oft Sekunden und damit die Leistungsfähigkeit des Computers: So sieht die traurige Realität für Studenten an Österreichs Universitäten aus.

Die Massenuniversität und der viel beschworene „freie“ Hochschulzugang, der die Anführungszeichen verdient, sind vielerorts an ihre Grenzen gestoßen. Das zeigen auch die Zahlen. Ein einziger Professor hat an so manch österreichischer Universität im Schnitt mehr als 200 Studenten zu betreuen. An der renommierten Technischen Universität (TU) München kommen auf einen Professor hingegen nur 75. Diese Umstände machen eine qualitätsvolle Lehre an Österreichs Unis oft schwer.

Das ist auch der Tenor an den Universitäten selbst. „Gerade am Anfang können wir vielen Studierenden nicht die Hilfestellung geben, die sie brauchen“, sagte Sabine Seidler, die Rektorin der Technischen Uni Wien, vor wenigen Monaten im „Presse“-Interview. Im Moment kämen deshalb „nur die Härtesten“ durch. Der Rest der Studierenden würde das Studium abbrechen. Und zwar obwohl sie „keine schlechteren Absolventen wären“. Und so liegen die Abbruchquoten derzeit in einigen Studienrichtungen – etwa in den Rechtswissenschaften sowie in den Fremdsprachen – bei 70 Prozent. Ein (auch für den Steuerzahler) durchaus kostspieliges System.

Bessere Betreuungsverhältnisse wünschen sich alle – von der Regierung, den Rektoren bis hin zu den Studierenden. Der Weg dorthin ist allerdings umstritten. Es können zwei unterschiedliche Abzweigungen genommen werden: Man kann entweder mehr Geld ins System schütten und so die Zahl der Professoren erhöhen. Oder man steuert den Uni-Zugang und senkt die Zahl der Studierenden in gewissen Fächern.
Beides will nun die türkis-blaue Regierung tun. Die Unis sollen in der nächsten dreijährigen Leistungsvereinbarungsperiode 510 Millionen Euro mehr bekommen, um damit 500 zusätzliche Professuren und Assistenzstellen zu schaffen (das wurde allerdings noch vor der Wahl beschlossen). Zugleich werden, wie seit gestern fest steht, Zugangsbeschränkungen eingeführt. In den Bereichen Jus, Erziehungswissenschaften und Fremdsprachen kann es an allen Unis Aufnahmeverfahren geben. Außerdem dürfen künftig einzelne Fächer, die nur an bestimmten Universitäten überlaufen sind, beschränkt werden.
Die Türen an den Hochschulen werden damit ein Stück weiter zugemacht. Ganz offen standen sie allerdings schon lange nicht mehr. Bereits jetzt musste ein Drittel aller Studienanfänger an den öffentlichen Unis eine Zugangshürde überspringen.

Zu einer wirklichen Verbesserung der Studienbedingungen hat das in vielen Fällen allerdings nicht geführt. Die Platzzahl hat sich nämlich nicht an den Kapazitäten der Universitäten, sondern an der bisherigen Zahl der Studierenden orientiert. So waren die teuer konzipierten Aufnahmetests oft nur Fassade. Den Studienplatz hatte man ohnehin sicher.

Eine Orientierung an den Kapazitäten der Unis gibt es immer noch nicht, man kommt dem jetzt aber näher. Die neuen Beschränkungen orientieren sich nämlich nicht allein an der bisherigen Zahl der Studienanfänger, sondern auch an der Zahl der aktiven Studenten sowie der Absolventen. Damit wird es in manchen Fächern deutlich weniger Plätze geben. Die Betreuungsverhältnisse werden deshalb nicht automatisch rosig sein. Die Regierung verspricht, dass trotz Kürzungen genügend Absolventen abschließen. Darauf müssen sich Gesellschaft und Wirtschaft auch verlassen können.

Ein Problem bleibt dabei allerdings. Die zentrale Frage, wie Aufnahmeverfahren aussehen müssen, um tatsächlich die geeignetsten und motiviertesten Studierenden zu finden, ist offen. Findet man darauf keine Antwort, werden sich weiter nur „die Härtesten“ durchsetzen. Und das sind dann jene, die Geld genug für die nötigen Vorbereitungskurse haben.

E-Mails an: julia.neuhauser@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Hochschule

Uni-Wien-Rektor: Studieren auch in anderen Städten

Rektor Heinz Engl hält die neuen Beschränkungen für moderat. Chemie will er beschränken, Kandidaten sind auch Soziologie oder Politik.
Hochschule

Uni-Zugang: "Die Universitäten werden kein elitärer Klub"

Wissenschaftsminister Faßmann ist über den Beschluss der Uni-Finanzierung erfreut - auch, wenn er sich nicht mit fremden Federn schmücken will.
Hochschule

Universität: Neue Schranken – nicht nur für die Juristen

In Jus und Pädagogik wird die Zahl der Anfängerplätze um die Hälfte zurückgefahren. Neue Hürden gibt es auch bei den Fremdsprachen – und je nach Uni in weiteren überlaufenen Fächern. Was die neue Uni-Finanzierung bringt.
Hochschule

Kritik an neuen Zugangshürden: "Kürzung der Studienplätze"

Die SPÖ warnt vor einer Kürzung von bis zu 15.000 Studienplätzen. Die ÖH kritisiert die neue Maßnahme als "wirkungsloses Placebo".
PK BILDUNGSMINISTERIUM ´PR�SENTATION DEUTSCHF�RDERKLASSEN´: FASSMANN
Hochschule

Uni-Zugang: Neue Beschränkung in Jus, Sprachen und Pädagogik geplant

Die neue Uni-Finanzierung wird am Mittwoch im Ministerrat beschlossen. Unis sollen demnach lokal überlaufene Studienrichtungen beschränken können. Geplant sind mehr Informatik-Studienplätze.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.