Leitartikel

Jacob Zuma loszuwerden ist noch lang kein Neuanfang

Der allmächtige ANC hat unter dem abgetretenen Präsidenten kontinuierlich an Unterstützung verloren. Das könnte sich für Südafrika als gut erweisen.

Das war es also. Südafrikas Skandal-Präsident Jacob Zuma ist Geschichte. Quasi im letzten Moment, nur wenige Stunden vor seiner sicheren Absetzung durch ein Misstrauensvotum im Parlament, ist der 75-Jährige zurückgetreten. Damit ist das Land einen Staatschef los, der für Niedergang steht. Nicht nur seine eigene Partei, der ANC, steckt in einer schweren Krise. Auch die Wirtschaft des Landes liegt am Boden – und, was noch schlimmer ist, das Vertrauen der Bevölkerung in die Demokratie ist schwer beschädigt. Zumas Abgang ist also die beste Nachricht für Südafrika seit seinem Amtsantritt vor neun Jahren.

Zuma hinterlässt ein schweres Erbe. Angesichts der noch immer krassen Ungleichheit, der skandalös hohen Arbeitslosigkeit und der weitverbreiteten Armut vor allem in der schwarzen Bevölkerungsmehrheit hätte er als Staatspräsident eigentlich genug zu tun gehabt. Doch Zuma zog es vor, das Land als einen Selbstbedienungsladen für sich und seine Verbündeten zu betrachten, in dem man sich nach Lust und Laune bereichern konnte. Und immer, wenn es schwierig wurde oder er unter Druck geriet, holte der alte Anti-Apartheid-Kämpfer die Feindbilder der Vergangenheit hervor: Schwarze gegen Weiße. Kurz: Zuma zerstörte statt aufzubauen, und er spaltete statt zu versöhnen.

Dabei ist er immer Widerstandskämpfer geblieben. Der Sprung in das Post-Apartheid-Zeitalter und in eine Rolle, in der er das Wohl des gesamten Landes im Auge hat, ist ihm nie gelungen. Seine Rücktrittsrede war dafür das beste Beispiel. Da sprach er, der scheidende Staatschef, davon, dass die Partei nicht gespalten werden dürfe. Dass er immer ein diszipliniertes Parteimitglied gewesen sei. Und dass die „Unterdrücker von gestern“ sich über die innerparteilichen Konflikte freuten.

Diese Argumentation aber verweist auf ein Problem, das über Zuma hinausgeht: Der African National Congress (ANC) – die Anti-Apartheidsbewegung, die zur Partei wurde – bestimmt die Geschicke des Landes seit dem Ende der Rassentrennung 1994. Wer die Macht im ANC hat, hat die Macht im Staat. Oder anders ausgedrückt: Die allmächtige Partei ist der Staat. So sehen es viele ANC-Mitglieder bis heute. Und das wird auch so bleiben, Zuma hin oder her. Dass der ANC unter Zuma kontinuierlich an Unterstützung verloren hat – wie jüngste Wahlergebnisse zeigen –, trug maßgeblich zu seinem Abgang bei. Das löste angesichts der Wahlen 2019 Verlustängste aus. Jetzt ruhen alle Hoffnungen auf dem neuen starken Mann, Cyril Ramaphosa. Nur: Demokratie funktioniert auf Dauer nicht ohne politische Alternativen. Dass der ANC unter Zuma schwächer geworden ist, könnte sich daher sogar noch als positiv erweisen.


Ramaphosa, der mit sehr viel Vorschusslorbeeren sein Amt antritt, steht als Staatspräsident und ANC–Parteichef ein schwieriger Spagat bevor. Er muss das Land und die Partei einen. Aber die Interessen der beiden Seiten sind nicht immer deckungsgleich.

Zum Beispiel, wenn es um den zukünftigen Umgang mit Zuma geht. Eigentlich ist jetzt die Justiz am Zug. Mit seinem Rücktritt als Präsident genießt Zuma nicht mehr Immunität vor Strafverfolgung. Er sollte sich für die zahlreichen Korruptionsvorwürfe verantworten müssen, die ihn seit Jahren begleiten. Das wäre ein wichtiges Signal, um das Vertrauen in die staatlichen Institutionen wieder zu stärken und die grassierende Korruption zu bekämpfen.

Noch immer wird indes spekuliert, ob es zwischen dem Zuma- und dem Ramaphosa-Flügel in der Partei einen Deal gegeben hat, um den Machtwechsel zu beschleunigen. Wird Ramaphosa seinen Vorgänger im Fall einer Verurteilung begnadigen? Zuma hat nach wie vor viele Unterstützer innerhalb des ANC. Zu viele haben von ihm profitiert. Ihren Zorn zu schüren hieße, eine (Ab-)Spaltung der Partei zu riskieren. Es wäre nicht das erste Mal.

Und so könnte Ramaphosa bald mit der Frage konfrontiert sein, ob er sich für die Partei oder den Staat entscheidet. Mit dem Rücktritt Zumas steht Südafrika an einem Scheideweg. Ob das ein echter Neuanfang wird, ist aber noch lang nicht ausgemacht.

E-Mails an: julia.raabe@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2018)

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