Was Eltern wirklich brauchen, ist echte Wahlfreiheit

Die Veränderung bei der Karenzdauer zeigt, dass das bessere Angebot von den Eltern angenommen wird.
Die Veränderung bei der Karenzdauer zeigt, dass das bessere Angebot von den Eltern angenommen wird.(c) Reuters (Carlos Barria)
  • Drucken

Mehr Kinderbetreuung und finanzielle Entlastung sind ein Schritt. Damit Eltern wirklich frei entscheiden können, braucht es aber gesellschaftlichen Wandel.

Sobald Österreicherinnen zu Müttern werden, geben sie ihren Job auf und wollen nur mehr bei ihren Kindern bleiben. Noch bis vor Kurzem traf dieses leicht überzeichnete Bild einer stockkonservativen Einstellung zum Thema Kinderbetreuung weitgehend zu. Während anderswo in Europa ein baldiger Einstieg in das Berufsleben bereits Normalität war, wählte noch vor zehn Jahren der überwiegende Teil der heimischen Mütter die mit drei Jahren längste Kindergeldvariante. Auch wenn sechs Monate davon für den Vater reserviert sind, ist es doch ein Zeitraum, der den Wiedereinstieg in den alten Job schwierig macht, wie Statistiken zeigen.

Dieses Bild hat sich jedoch gewandelt. Die Dauer der durchschnittlichen Karenz hat sich deutlich reduziert, immer häufiger werden kürzere Kindergeldvarianten in Anspruch genommen. Grund dafür ist vor allem eine stetige Verbesserung des Angebots von Kinderbetreuungseinrichtungen. In den Städten ist die Betreuung auch für Unter-Dreijährige beinahe flächendeckend vorhanden – wenn auch in der Regel kostenpflichtig. Am Land wird das Netz ebenfalls von Jahr zu Jahr dichter.

Die Veränderung bei der Karenzdauer zeigt, dass das bessere Angebot von den Eltern angenommen wird. Viele Frauen blieben früher also nicht zu Hause, weil sie wollten, sondern weil sie mussten.

Wobei hier aber nicht gesagt werden soll, dass es per se besser ist, je früher Mütter wieder in die Arbeitswelt einsteigen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht stimmt das natürlich. Und auch für den Einzelnen überwiegen die ökonomischen Vorteile, wie etwa höhere Pensionsansprüche. Der Preis, der dafür zu bezahlen ist, lautet jedoch weniger Zeit mit dem eigenen Kind. Wie diese Rechnung unter dem Strich ausgeht, ist eine höchstpersönliche Frage, die jeder für sich selbst beantworten muss.

Die Aufgabe der Politik ist es, dass Mütter und Väter dabei die größtmögliche Wahlfreiheit haben. Dazu gehört natürlich der weitere Ausbau der Kinderbetreuung. Aber auch steuerliche Maßnahmen wie der Kinderbonus können dazu beitragen, finanziellen Druck von Familien zu nehmen. Insofern wirkt auch die immer wieder daran geäußerte Kritik befremdlich, der Bonus würde es Familien möglich machen, dass etwa die Frau länger daheim bleibt. Wenn das der Wunsch dieser Familie ist, dann ist es auch gut und richtig, wenn ihr diese Möglichkeit gegeben wird.

Damit in dieser Frage wirkliche Wahlfreiheit für die Eltern herrscht, braucht es aber mehr als nur die entsprechende Infrastruktur. Es braucht auch einen gesellschaftlichen Wandel. Denn bei der Beteiligung der Väter an der Kindererziehung ist Österreich nach wie vor Schlusslicht – auch wenn inzwischen bereits knapp jeder fünfte Mann zumindest für ein paar Monate in Karenz geht. Grund dürfte auch hier in vielen Fällen weniger das Wollen, sondern das Können sein.

So ist es auch im Jahr 2018 für Männer, die abseits von progressiven Branchen wie Werbung oder Medien arbeiten, durchaus üblich, beim Wunsch nach einer Karenz vom Arbeitgeber völliges Unverständnis zu ernten. Jedes Jahr melden sich Hunderte Väter bei der Arbeiterkammer, weil sie aufgrund ihres Karenzbegehrens mit Kündigung bedroht wurden oder gekündigt worden sind. Das nicht offen ausgesprochene „Der macht hier keine Karriere mehr“ dürfte noch viel häufiger der Fall sein.

Ein Zustand wie in Skandinavien, wo sowohl Mutter als auch Vater nach der Geburt von Kindern auf Teilzeit gehen und trotzdem weiter beruflich vorankommen können, ist hierzulande beinahe ausgeschlossen. Führungsfunktion ohne Vollzeit? Kaum eine Chance.

Es ist also eine logische Folge, dass sich Paare – die sich ja auch ökonomisch als Team sehen – dazu entschließen, dass nur einer der beiden auf die Karriere und die damit verbundenen Gehaltsvorteile verzichten soll. Ein allgemeines Umdenken in dieser Frage würde viele Unternehmen vor große Herausforderungen stellen, das ist klar. Die heimischen Eltern und somit die gesamte österreichische Gesellschaft würden davon allerdings stark profitieren.

E-Mails an:jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Fast drei Mal so viele Eltern beziehen heute das einkommensabhängige Kindergeld wie noch vor acht Jahren. Bei diesem Modell bekommt ein Elternteil für zwölf Monate 80 Prozent des Letztgehaltes – maximal aber 2000 Euro.
premium

Babypause: Mütter gehen kürzer in Karenz

Weil sie besser ausgebildet sind und die Kinderbetreuung stark ausgebaut wurde, bleiben Frauen nach der Geburt immer kürzer zu Hause. Die Regierung will längere Auszeiten attraktiver machen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.