Wenn das Volk begehrt, wird die FPÖ dann eines Besseren belehrt?

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Symbolbild(c) Clemens Fabry
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Es könnte Wunschdenken sein: Dass die Freiheitlichen mit ihrer Vorliebe für Direktdemokratie wegen der Anti-Rauchen-Initiative in der Ecke stehen.

Wir wissen es: Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Aber irgendwie werden Erinnerungen an das Konferenzzentrum-Volksbegehren wach. Das aktuelle Sammeln von Unterstützungserklärungen für ein Volksbegehren zu einem generellen Rauchverbot in gastronomischen Betrieben entwickelt sich zu einem ziemlichen Erfolg, wie er in dieser Form kaum zu erwarten war. 200.000 Unterschriften seit nicht einmal einer Woche sind rekordverdächtig, könnten theoretisch aber ein Strohfeuer sein. Sehr wahrscheinlich ist dieses Szenario aber nicht.

Was das alles mit dem Konferenzzentrum zu tun hat? Im Jahr 1982 fand das erfolgreichste Volksbegehren der Republik statt. 1,36 Millionen Menschen haben sich damals mit ihrer Unterschrift gegen die Errichtung des Konferenzzentrums in Wiens UNO-City ausgesprochen. Bis heute (!) ist diese Zahl unerreicht geblieben. Der damalige ÖVP-Generalsekretär Michael Graff hat die Aktion als Probegalopp für die Nationalratswahl bezeichnet und generellen Protest gegen die SPÖ unter Kanzler Bruno Kreisky genützt. Das Konferenzzentrum wurde (justament) gebaut und steht bis heute, Kreisky und die SPÖ verloren ein Jahr später die absolute Mehrheit, Rot-Blau folgte.

Heute ist die FPÖ wieder an einer Regierung beteiligt. Von einem Probegalopp für eine Nationalratswahl wenige Monate nach der jüngsten spricht natürlich niemand ernsthaft. Aber die Oppositionsparteien versuchen sich schon mehr oder weniger elegant an den Erfolg des Unterschriften-Sammelns anzuhängen und das Volksbegehren zu einem Aufbegehren gegen die Regierung im Allgemeinen und die FPÖ im besonderen umzuinterpretieren. Das mag nicht der reinen staatswissenschaftlichen Lehre entsprechen, überraschend ist dieses Phänomen nicht. So funktioniert eben das politische Geschäft. Dem Anliegen der Initiatoren kann das schaden, muss es aber nicht zwingend.

In den vergangenen mehr als zwei Jahrzehnten oppositionellen Darbens hat die FPÖ vorexerziert, wie sich direktdemokratische Elemente regelmäßig von einer Partei dazu verwenden lassen, auf die Regierung Druck auszuüben oder wenigstens dem jeweiligen Obmann dessen Lieblingsbeschäftigungsmöglichkeit zu ermöglichen, wahlzukämpfen. Jetzt sind eben plötzlich die Rollen getauscht.

Wie sehr gerät die FPÖ aber nun selbst in der Regierung unter Druck? Dass manche ihrer Protagonisten zuletzt durch Nervenflattern auffällig geworden sind, lässt sich nicht verheimlichen. Besonders ist nochmals der Beitrag der FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch zu würdigen, die die Ärzte-Initiative als unseriöse, parteipolitische Aktion abqualifiziert und sich ein wenig dequalifiziert hat. Dass der selbst rauchende FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache erst am Dienstag wieder gemeint hat, es gehe um „Selbstbestimmung“, um die „Freiheit des Einzelnen“ ist aus dessen Sicht vielleicht gerade verständlich. Mehrheitsfähig ist diese Haltung in der Bevölkerung wohl aus mehreren Gründen nicht – nicht mehr. Wird das sogenannte freie Mandat ernst genommen, wäre sie übrigens auch im Nationalrat nicht mehrheitsfähig. Das Murren in der ÖVP wegen des Zugeständnisses in den Koalitionsverhandlungen an die FPÖ, das ab 1. Mai eigentlich in Kraft tretende Verbot des Rauchens in Gaststätten wieder aufzuweichen, war und ist unüberhörbar. Zu wenig spricht dafür, und zu vieles spricht dagegen, die Uhr wieder zurückzudrehen. Ob die FPÖ nun mit ihrer Vorliebe für direktdemokratische Elemente in die Ecke gedrängt steht? Das könnte Wunschdenken sein.

Denn, nüchtern betrachtet, wird die FPÖ möglicherweise gegenüber der ÖVP auf den Beschluss eines schwächeren Tabak-Gesetzes vor dem 1. Mai beharren. Und nach einem Vorstoßen des Volksbegehrens in die Gegend von einer Million Unterzeichner dessen Intention einer Volksabstimmung vorlegen lassen. Damit würde sich die FPÖ nichts vergeben, sich eines Besseren belehren zu lassen. Nur die ÖVP steht etwas verloren als Getriebene zwischen den Fronten da. Kanzler Sebastian Kurz wird sich wohl auch dafür schöne Worte bereitlegen.

E-Mails an:dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2018)

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