Leitartikel

Wenn Tirol alle erfreut – und doch warnen sollte

Kanzler Kurz und Wahlsieger Platter
Kanzler Kurz und Wahlsieger PlatterAPA/GEORG HOCHMUTH
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(Fast) alle Parteien feiern ein Landtagswahlergebnis. Aber nicht jedes Plus ist ein echter Erfolg und hat bundespolitische Gründe.

Die wichtigste Jobdeskription eines Parteisekretärs lautet: Am Wahlabend muss sie/er jubeln und schönreden, was das Originaltextservice hergibt. An diesem Wahlsonntag zeigten die Geschäftsführer aller Parteien, wie das geht. Die Schwarzen, Pardon: Osttürkisen feierten einen weiteren Sieg und massiven Zugewinn eines Landeshauptmanns. Die Roten klatschten über ein Plus und darüber, Platz zwei nicht an die FPÖ verloren zu haben. Die Blauen jubelten über das größte Plus trotz nationaler, Verzeihung: internationaler Medienverschwörung gegen die neue Regierungspartei in Wien. Die regional fleißigen Grünen freuen sich, trotz Rauswurfs aus dem Nationalrat wieder in den Landtag und vielleicht sogar in die Landesregierung einziehen zu dürfen. Die Neos sind stolz, ein weiteres Bundesland quasi erobert zu haben und knapp vor der Alleinherrschaft über das Land zu stehen. Die Liste Dinkhauser durfte auch ins Regionalfernsehen. Den Rest hat Frank Stronach zum Glück vergessen.

Ganz so sonnig wie das Winterwetter war das Ergebnis aber doch nicht für alle Parteien. Ganz genau genommen sollten in allen Parteien (warnende) Signale des Urnengangs und seines Ergebnisses diskutiert werden.

Da wären einmal der strahlende Landeshauptmann, Günther Platter, und der ebenso strahlende Bundesparteichef und Bundeskanzler, Sebastian Kurz. Für die ewige Hoffnung an der Spitze der Volkspartei bedeutet dies den zweiten großen und in der Dimension auch überraschenden Sieg bei einer Landtagswahl in seiner Obmanns- und Regierungszeit. Beide Landeschefs gewannen freilich nicht nur dank des Rückenwinds aus dem Bund, sondern vielmehr wegen guter Persönlichkeitswerte, des Schwächelns mancher Konkurrenten und des Verschwindens mancher Klein- und Kleinstparteien.

Dass die Tiroler Volkspartei die Farbe Türkis ablehnte und auf Distanz zur Kurz-Bewegung ging, war ein kleines Manöver, um Medien und Öffentlichkeit zu suggerieren, die Tiroler ÖVP hätte mit den jungen Politik-Mode-Anhängern in Wien nichts zu tun, und sich als eigenständiges gallisches Dorf zu präsentieren. Mühsamer für Kurz wird Platter wenn, dann ab sofort: Nach einem Wahlsieg sticht der Hafer mitunter. Oder wie das in den Agrargegenden heißt.

Platter ist überhaupt ein politisches Phänomen. Ähnlich wie bei Johanna Mikl-Leitner trauten Platter viele Beobachter und nicht wenige Parteifreunde kaum zu, in die großen Fußstapfen der alten Landesfürsten zu steigen, die Land und Leute mit charmant föderalem Absolutismus regiert hatten. Beide zeigten den Zweiflern, dass man kein altvaterisches Benehmen an den Tag legen muss, um eine Mehrheit zu vergrößern.
Die SPÖ hat endlich wieder ein Plus in Tirol und sich von der historischen Talsohle entfernt. Christian Kern hat eine Sorge weniger, aber noch genug Sorgen, um sich die Zukunft zwischen Oppositionsbank und Headhunter offenzuhalten. Egal, was er sagt.

Die Freiheitlichen sollten sich angesichts der Pannenserie in der ungeliebten Rolle eines Juniorpartners einmal mehr die Frage stellen: Kann man den neuen Job und die Regierungsarbeit organisierter und professioneller aufsetzen? Und das so, dass Herbert Kickl weiterhin das arbeitsintensive Innenministerium leiten darf?

Die Neos haben auf schwierigem Terrain und trotz einer unschönen Parteispendenepisode ein gutes Ergebnis erreicht. Es wird leider zur Selbstzufriedenheit im aktuellen Oppositionsmonopol neben nicht existenten Grünen, Pilz-Ende und SPÖ-Selbstfindung führen: Die Gegnerschaft zur türkis-blauen Regierung verdrängt nun unpopulären Wirtschaftsliberalismus zugunsten gesellschaftspolitischer Positionen links der Mitte. Das ist gefährlich, das Liberale Forum lässt grüßen.

Aber setzen wir wieder kurz die Wintersonnenbrille der Parteisekretäre auf: Die Regierungsparteien könnten die Verschnaufpause durch Tirol nutzen, sich neu zu sortieren, durchzuatmen und Problemlösungen (Volksabstimmung über das Rauchverbot?) zu finden. Die Opposition kann mit der Gewissheit arbeiten, dass man auch gegen erfahrenere Regierungen punkten kann.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

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