Leitartikel

Eier, Exodus, Lachen und ein leeres Grab

Plädoyer für ein christliches und dabei wunderbar vielschichtiges Fest.
Plädoyer für ein christliches und dabei wunderbar vielschichtiges Fest.APA/ROLAND SCHLAGER
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Kann man in einer multikulturellen und weitgehend säkularisierten Gesellschaft gemeinsam Ostern feiern? Plädoyer für ein christliches und dabei wunderbar vielschichtiges Fest.

Darf man die Karwoche, die heute endet, auch Osterwoche nennen? Oder verleugnet man damit grob den christlichen Inhalt des Fests? Angeregt von einer Leserin, wurde dieses Thema jüngst in der „Presse“-Redaktion debattiert, heftig und auch nicht ganz humorfrei. (Schließlich ist das Osterlachen einer der schönsten Osterbräuche, und man darf es schon in der Karwoche üben.) „Eure Sorgen und einen Budgetüberschuss möcht ich haben“, kommentierte ein Wirtschaftsredakteur. Und doch: Es ist nicht egal, wie und in welchem Namen Menschen ihre Feste feiern. Und ob sie das gemeinsam tun. Das ist in einer weitgehend säkularisierten und immer multikultureller werdenden Gesellschaft ja gar nicht selbstverständlich.

Dabei bietet Ostern durch seine Vielschichtigkeit gute Voraussetzungen dafür. In seiner ältesten Schicht war und ist es ein Frühlingsfest. Die alten Israeliten überlagerten dieses mit einem Fest von – zeitloser – historischer und politischer Bedeutung: Pessach, das den Auszug aus Ägypten, die Befreiung aus der Knechtschaft feiert. Jesus selbst beging es, seine Anhänger machten daraus das Fest der Auferstehung des Gottessohnes. Das sich, als das Christentum zur Weltreligion wurde, wieder mit den alten, deutlich weniger transzendenten Fruchtbarkeits- und Frühlingsbräuchen in aller Welt arrangierte.

Dazu kommt die reine Freude am weltlichen Genuss, am Konsum, wie Kulturpessimisten gern klagen. Das Osterlamm etwa kann man als Symbol für das Agnus Dei sehen, aber auch als Sinnbild der Fruchtbarkeit und des guten Lebens, mit Bärlauch oder ohne. Und Christoph Schlingensief ist es einst in seiner Bayreuther „Parsifal“-Inszenierung bekanntlich sogar gelungen, dem (Oster-)Hasen karfreitägliche Bedeutung abzugewinnen . . .

So kann man Ostern – ähnlich wie Weihnachten – sozusagen in allen Säkularisierungsgraden feiern. Schwieriger wird es, wenn ein beträchtlicher Teil der Menschen im Land, vor allem jene islamischen Glaubens, gar nichts damit anfangen kann. Wie umgekehrt die Feste des Islam den Nichtmuslimen fremd sind. Hier hilft nur gegenseitiger Respekt, besser: gegenseitiges Interesse. Nur zu leicht kann sich an Festen, die zumindest manchen heilig sind – und das macht ihre Intensität aus, das ist ihr Glutkern –, Streit zwischen den Kulturen entzünden. Sich aus lauter Vorsicht überhaupt nur mehr „Schöne Feiertage“ zu wünschen oder „seasonal greetings“ mit garantiert religionsfreien Eiern zu schicken ist auch keine Lösung. Hysterie ist freilich nie zu empfehlen: Nur weil im Kindergarten der Nikolaus einmal nicht kommt, wird das Abendland nicht untergehen.

Die radikalliberale Einstellung, dass Feste eine private Angelegenheit seien, dass jeder feiern solle, was und wann er will, aber ist lebensfremd, sie übersieht das soziale Wesen des Menschen. Feste und Feiertage zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie arbeitsfrei sind, und eine Gesellschaft, in der jeder an einem anderen Tag freihat, hat etwas Tristes an sich und findet nie wirklich Ruhe. Wie auch die in den Zehn Geboten formulierte Heiligung eines Tages pro Woche als Ruhetag nur funktioniert, wenn möglichst viele sich daran halten. Wie viele Ausnahmen von der Sonntagsruhe wir zulassen wollen, ist eine laufende Diskussion, Dogmatismus ist hier nicht am Platz.


Von dauerhaft in Österreich lebenden Muslimen (wie übrigens auch von Atheisten) kann man jedenfalls erwarten, dass sie die wesentlichen christlichen Feste nicht nur respektieren, sondern sich im Zug ihrer Integration zumindest ein Mal im Leben mit deren Inhalten befassen. Immerhin spielt deren Hauptperson, Jesus von Nazareth, auch im Koran eine Rolle. Und man kann, wie derzeit in Deutschland, darüber debattieren, ob der Islam (schon) zu unserer Kultur gehört oder nicht, das Christentum ist jedenfalls essenzieller für sie, es hat sie geprägt, äußerlich und innerlich.

Im Gegenzug wäre es durchaus der Überlegung wert, ein islamisches Fest – und dazu auch gleich ein jüdisches – zu allgemeinen Feiertagen zu machen (und dafür etwa den Ostermontag oder den Pfingstmontag zu streichen), als Zeichen des Respekts und des Interesses.

Mit dem nicht als halal zu wertenden – und natürlich auch nicht koscheren – Osterschinken sollte es übrigens keine Probleme geben: Er zählt, ob säkular belassen oder gesegnet, eher nicht zum Glutkern des Osterfests.

E-Mails an:thomas.kramar@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2018)

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