Leitartikel

Es wird der letzte schöne Wahlsonntag werden

SALZBURG-LANDTAGSWAHL: WAHLKAMPFSCHLUSSVERANSTALTUNG DER ÖVP / HASLAUER
SALZBURG-LANDTAGSWAHL: WAHLKAMPFSCHLUSSVERANSTALTUNG DER ÖVP / HASLAUERAPA/BARBARA GINDL
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Salzburg und alle werden sich freuen dürfen, dann warten Reformdruck und gestärkte Widerstandskämpfer. Und weniger erfreuliche Wahlen.

Die Parteichefs der Republik sollten an diesem Wochenende zusammenlegen und ein kleines Präsent für Frank Stronach erstehen. Denn nur die politische Konkursmasse des kanadischen Milliardärs verhilft fast allen Parteien einmal mehr zu einem kleinen schönen Plus. Bereits bei fast allen anderen Wahlgängen waren die Stronach-Stimmen auf dem Markt und verhalfen vor allem den regierenden Landeshauptleuten zu einem kleinen Triumph. Das soll ihre durchaus vorhandenen politischen Leistungen nicht schmälern, aber Stronach-, BZÖ- und Co.-Wähler bildeten ein willkommenes Wählerreservoir.

An diesem Sonntag wird es auf jeden Fall fast nur Sieger geben: Wilfried Haslauer wird klar und deutlich bestätigt werden und wohl das größte Plus einfahren. Das hat er verdient, der zurückhaltende Differenzierte hat ein Land übernommen, das von einem absurden Finanzskandal gebeutelt wurde, und es konsolidiert. Die einzig offene Frage: Kann er einen Triumph oder nur einen Sieg feiern? Vorsorglich stapelte die Salzburger ÖVP – ähnlich wie zuvor die Parteifreunde in Tirol und Niederösterreich – tief, setzte Wahlziel und wohl auch die eine oder andere Umfrage bewusst tief an, um die Wähler zu motivieren. Und am Wahlsonntag von einem historischen Sieg reden zu können.

Die anderen Parteien werden auch klatschen: Die SPÖ hofft nach dem Finanzskandaldebakel auf ein Plus, Christian Kern braucht derzeit alles, was er kriegen kann. Die FPÖ wird ebenfalls zulegen, was auch Türkis-Blau in der Bundesregierung stabilisiert. Die Grünen dürften zwar verlieren, aber werden froh sein, in einem (Länder-)Parlament und vielleicht sogar in der Regierung vertreten zu sein. Sepp Schellhorn, der Michael Kohlhaas für Thomas-Bernhard-Zitierer, wird die Neos zu einem überraschend guten Ergebnis führen. Wenn die Serie so weitergeht, werden Headhunter wohl Matthias Strolz als SPÖ-Oppositionschef anfragen.

Eine Parallele gibt es von Salzburg zu Kärnten: Hier wie dort kamen die Landeshauptleute auf den und wegen der finanziellen Ruinen ihrer Vorgänger an die Macht. Auch wenn die damals verursachten Schulden noch nicht getilgt sind und der Wahnsinn dahinter noch nicht vollständig aufgearbeitet ist: Weder der Hypo-Wahnsinn in der Jörg-Haider-Provinz noch die Finanzspielsucht einer verantwortlichen Spitzenbeamtin unter einer Überfliegerin als Landeshauptfrau interessieren Politik, Medien und Wähler. Eine seltsame kollektive Amnesie, die wir schon vom ÖGB-Skandal kennen.

Wenn der Applaus dann am Sonntagabend langsam abebbt und die Wahlpartyrelikte beseitigt sein werden, stellt sich die Frage: Was nun? Für Salzburg lautet die einfache Antwort: Haslauer. Ein oder zwei Partner werden sich leicht finden. Viel schwieriger wird die Antwort auf Bundesebene ausfallen: Kommen nach der Landtagswahlserie jene radikalen großen Reformprojekte, auf die Befürworter und Gegner offenbar so sehnlich warten? Bei Chancen auf Realisierung wären sie richtig und wichtig, da sie schlicht notwendig wären.

Es wird dennoch nicht passieren. Sebastian Kurz will andere Erfahrungen als Wolfgang Schüssel machen. Soll heißen: Er will weder Koalitionspartner noch Bevölkerung und schon gar nicht die erstarkten Landeshauptleute überfordern. Das ist ein interessantes Phänomen: Sowohl Gegner als auch Befürworter scheinen sich eine Politik wie von Wolfgang Schüssel zu wünschen.

Kurz meidet den Konflikt auch, weil er schlechte Umfragewerte fürchtet: Widerstand und Streit über Reformen färben auf alle Beteiligten ab. Kein Wunder also, dass bei vielen Themen wie AUVA und Co. das häufigste Kommando lautet: Zurückrudern!

Kurz versucht, den anderen schwierigeren Weg zu gehen, Überzeugungsarbeit und gemeinsame Lösungen herbeizuführen. Bei Ausländer- oder Integrationsthemen wird ihm das gelingen, bei Strukturreformen und Sparkurs wird das weitaus schwieriger. So gesehen: Nicht die ersten hundert Tage haben gezeigt, wie die Bilanz von Türkis-Blau aussieht, es werden die nächsten hundert in der EU-Präsidentschaft sein.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2018)

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