Leitartikel

Es ist etwas faul im Schulhause Österreich

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Nachrichten von der zentralen Maturafront sind beunruhigend. Resultate zu schönen wird nicht reichen. Ein Blick in den privaten Sektor wäre hilfreich.

Veränderungen führen ganz generell schnurstracks zu Widerstand bei den Betroffenen. Egal, wie notwendig sie sind, wie gut argumentiert sie werden und präzise vorbereitet sie wurden. Anders arbeiten, anders denken und anders die bisherigen eigenen Leistungen beurteilen zu müssen, fällt jedem schwer, der nicht gerade den Änderungsprozess einfordert oder antreibt. Und ja, mit guter Kommunikation und akkurater Planung lässt sich einiges verhindern, Widerstand wird es aber in jedem Fall geben.

Ein schönes Beispiel war die Einführung der Zentralmatura vor wenigen Jahren. Ähnlich wie die aktuelle absurd anmutende Umsetzung der ebenso wirkenden EU-Datenschutzverordnung wurde die Einführung der Zentralmatura nicht nur heiß diskutiert, sondern dann auch so eingeführt, als hinge von ihr die gesamte schulische Karriere jedes Jugendlichen ab. Und Wohl und Wehe von Lehrern und vor allem von Eltern.

Inhaltlich spricht nichts gegen und ziemlich viel für eine Prüfung, die für alle Schüler gleich und vergleichbar ist. Und natürlich sind der Abschluss der höheren Schule und die Erreichung der dazugehörigen (Berufs-?)Reife ein ziemlich wichtiger Schritt im Leben. Aber die Panik und Hysterie, die das Thema seit Einführung begleiten, waren und sind übertrieben. Ein Grund für die emotionale Dauererregung könnte in einem eigenartigen Phänomen unserer Zeit zu finden sein: Vielfach treten da offenbar emotional nicht die Schüler, sondern die sie umsorgenden Eltern zur Matura an. Die Reifeprüfung sollte doch eigentlich ein schulischer Schritt der Emanzipation sein, nein?

Aber: Was von Betroffenen und einem offenbar perplexen Bildungsminister Heinz Faßmann zu hören und erfahren ist, haben die inhaltlich sicher versierten Verfasser der Mathematikmatura wohl übers Ziel hinausgeschossen und mehrere Aufgaben in Rätselform formuliert. Die Ergebnisse der Maturaarbeiten sind – vor allem bei den BHS – verheerend. Im Nachhinein Punkte im Beurteilungsschlüssel zu suchen, um das Ergebnis zum Positiven zu verändern, ist nicht nur absurd, sondern ziemlich österreichisch. Wir rechnen einfach so lang, bis die Ergebnisse und Noten stimmen? Auch das könnte eine Lektion für Mathematikmaturanten sein. Was aber wirklich ärgerlich ist, ist, dass unser alles andere als billiges Schulsystem nicht nur weit von jedweder Perfektion entfernt ist, sondern im konkreten Fall ausgerechnet beim geplanten krönenden Abschluss der Schule noch einmal aussiebt (und dann kompensiert).

Das ist übrigens ein zentraler Unterschied zwischen (privat-)wirtschaftlich geführten Bildungsinstitutionen, wie bei einem Besuch in Oxford in den vergangenen Tagen wieder erfahrbar war, und den staatlichen österreichischen Einrichtungen wie Schulen und Unis. Bei uns kommen unten alle rein, aber oben viel weniger raus, in angelsächsisch geprägten Häusern dürfen anfangs nicht alle mit, dafür werden die Schüler und Studenten dann in ihrem Weg zum Abschluss kräftig unterstützt, um das Ziel auch tatsächlich zu erreichen.

In Österreich wird in Schulen und Unis „gesiebt“, eine Art Bildungsdarwinismus der ökonomisch besonders dummen Art: Die Masse wird aus politischen Gründen scheinheilig zugelassen, und dann bleiben möglichst viele auf der Strecke. Irgendwie muss man das Geld für Lehrer und Schulen ja ausgeben und die Frustration bei Kindern steigern.

Diese Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, auch bisher unmöglich wirkende Vorhaben anzugehen. Schulen und Universitäten mit höheren Eingangshürden und der dazugehörigen Verpflichtung der Lehrer zu versehen, für den Erfolg der ihnen anvertrauten Schüler (finanziell?) mitverantwortlich zu sein, wäre ein solcher. Soll heißen: Lehrer sind im achten Jahr nicht Prüfer, sondern Coach und Berater der Prüflinge.

Im Übrigen: Eine Reformregierung, die sich nicht mit Lehrergewerkschaft und Schulkonservierern anlegt, ist keine solche, sondern feig. Nur Maturaergebnisse hinzudrehen wird nicht ausreichen.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2018)

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