Einmal sollte Europa tun, was es ohnehin am besten kann: Abwarten

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US-Präsident Trump befindet sich mitten im Wahlkampf. Ihm den Gefallen eines Handelskriegs zu machen, sollte Europa deshalb tunlichst vermeiden.

Am Donnerstag schien es so weit zu sein. Donald Trump macht Ernst mit seiner Drohung, Schutzzölle auf europäische Stahl- und Aluminiumimporte einzuheben. Bis in die Abendstunden wurde noch versucht, einen neuerlichen Aufschub zu bekommen. Aber zumindest eines scheint klar: Von einer dauerhaften Einigung ist man weit entfernt. Und sollten die Europäer meinen, das Ganze nach dem biblischen Prinzip „Auge um Auge“ beantworten zu müssen, sollten sie sich bei einem im Klaren sein: Die Amerikaner sind auf dem Gebiet erfahrener, und sie haben noch einiges im Talon. Allen voran höhere Einfuhrzölle auf in Europa produzierte Autos. Dieser Handelskrieg würde dann Italiens Regierungskrise, den möglichen Kollaps der Türkischen Lira und die noch immer nicht abzusehenden Folgen des britischen EU-Austritts in den Schatten stellen. Der wirtschaftliche Aufschwung wäre dahin, noch ehe die Europäische Zentralbank ihre ultralockere Geldpolitik auch nur in homöopathischen Dosen reduziert hätte.

Die europäische Ausgangslage ist also eher bescheiden erfolgversprechend. Und bevor nun wieder im Chor gegen diesen „Wahnsinnigen“ im Weißen Haus gewettert wird, sollte man nüchtern die Ausgangslage betrachten. Und diese besagt, dass die EU-Zölle auf amerikanische Produkte im Schnitt um 1,7Prozentpunkte höher sind als auf der anderen Seite des Atlantiks. Mit anderen Worten: Seit Jahr und Tag findet zwischen Europa und den USA ein unfairer Wettbewerb statt. Von wegen „Strafzölle“. Die Trump-Administration will lediglich einen gerechten Handel mit Europa.

Betrachtet man die Debatte über die Zölle auf Stahl- und Aluminium, dann wird das Säbelgerassel noch unverständlicher. Denn bei der ganzen Sache handelt es sich um einen wirtschaftspolitischen Sturm im Wasserglas. Die EU-Länder liefern pro Jahr Aluminium und Stahl im Wert von fünf Milliarden Euro in die USA. Das sind Spurenelemente in der Handelsstatistik. Die Anhebung der Zölle auf Stahl- und Aluminium nun mit Gegensanktionen zu beantworten, etwa auf Orangensatz aus Florida oder Motorräder aus Wisconsin, würde wohl endgültig zu einer tatsächlich unangenehmen Zuspitzung des Handelskonflikts führen. Denn richtig zur Sache geht es, wenn Trump bei europäischen Autoimporten die Ampeln auf Rot stellt. Wie das europäische Statistikamt Eurostat berechnet hat, sind Autos mit 38 Milliarden Euro der größte Einzelposten bei den EU-Exporten in die USA. Und wenn laut einer vor wenigen Tagen publizierten Berechnung in Österreich im Fall des Falles 3000 Jobs in der Autozulieferindustrie gefährdet sind, wie viele wären das wohl in Deutschland, in Tschechien oder in der Slowakei? Und nur der Vollständigkeit halber: Amerika hebt auf europäische Autos 2,5 Prozent Zoll ein, die Europäer auf US-Karossen viermal so viel.


Die Frage lautet also: Warum wird aus einer Stahlmücke ein Elefant gemacht? Vielleicht, weil der Wirbel beiden Seiten ziemlich recht ist? Donald Trump weiß, dass er das US-Handelsdefizit nicht mit der Verteuerung des europäischen Stahls senken wird. Doch er hat Anfang November wichtige, manche meinen sogar überlebenswichtige Zwischenwahlen. Bei den Midterm Elections werden etwa in Ohio und Pennsylvania Gouverneure und Senatoren gewählt. Beides Hochburgen der Stahlindustrie. Dasselbe gilt für den Bundesstaat Michigan, die Wiege der Automobilindustrie.

Jeder außenpolitische Wirbel hilft Trump, um bei den Wählern in diesen Staaten zu punkten. Jenen Wählern, die 2008 noch mehrheitlich den Demokraten Barack Obama gewählt haben – und 2016 zu Trump konvertiert sind. Dort befindet sich Donald Trumps „Battle-Ground“. Umgekehrt setzen auch in Europa bevorzugt Populisten auf einen Anti-Amerika-Kurs, wird doch der unberechenbare Trump gern als Argument angeführt, um etwa die Russland-Sanktionen aufzuweichen.

Es wäre fast Ironie, würde jene EU, die sich bei den vergangenen Krisen durch zu langes Abwarten ausgezeichnet hat, gerade jetzt überreagieren.

E-Mails an: gerhard.hofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2018)

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