Leitartikel

Sag, wie hast du es mit der Verantwortung?

Rupert STADLER Vorstandsvorsitzender der Audi AG Ingolstadt Deutschland Rupert STADLER CEO
Rupert STADLER Vorstandsvorsitzender der Audi AG Ingolstadt Deutschland Rupert STADLER CEOimago/photothek
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Die U-Haft für den Audi-Chef ist ein Dammbruch im VW-Skandal. Die Historie zeigt jedoch, dass das Strafrecht bei Wirtschaftscausen nicht immer verfängt.

Auch am Tag eins nach der Verhaftung von Audi-Chef Rupert Stadler stand die VW-Tochter noch unter Schock. Bis zum frühen Nachmittag tagten die Gremien, bevor sie bekannt gaben, dass Vertriebsvorstand Abraham Schot interimistisch das Steuer übernimmt und Stadler vorerst einmal beurlaubt wird. Für den seit 2007 amtierenden Audi-Chef dürfte es wohl ein dauerhafter Urlaub werden. So ist zwar noch nicht einmal klar, ob es überhaupt zu einer Anklage kommen wird, und selbst dann gilt natürlich die Unschuldsvermutung. Seine Karriere im VW-Konzern und wohl auch in der Autoindustrie dürfte für den 55-Jährigen aber vorbei sein.

„Es gibt in der Industrie keinen David Copperfield. Man kann bestimmte technologische Lösungen nicht herbeizaubern.“ Diese Worte sagte Stadler vor acht Jahren im Interview mit dieser Zeitung. Inhaltlich ging es dabei zwar um die CO2-Obergrenzen, die kurz zuvor von der EU eingeführt wurden. Dennoch erhalten diese Worte aus heutiger Sicht einen anderen Klang. Schließlich sind Kohlendioxid und Stickoxide bei Verbrennungsmotoren kommunizierende Gefäße. Wird das eine gesenkt, erhöht sich das andere.

VW und Audi haben bei diesem Problem wirklich nach der Manier David Copperfields agiert. Denn so, wie der Amerikaner nie durch den Ballsaal des MGM-Hotels in Las Vegas geflogen ist, so wenig haben die inkriminierten Dieselmotoren aus Wolfsburg und Ingolstadt die Abgasvorschriften erfüllt. Zur Erinnerung: Die Techniker haben die Software der Motorsteuerung so manipuliert, dass diese erkannte, ob das Auto gerade auf einem Prüfstand fährt. War das der Fall, wurde die Abgasreinigung eingeschaltet. War das Auto jedoch im herkömmlichen Verkehr unterwegs, war sie deaktiviert.

Auch andere Hersteller haben bei diesem Thema nicht ganz sauber gearbeitet, weshalb es etwa auch bei BMW und Mercedes Ermittlungen gibt. VW ist nach derzeitigem Wissen aber dennoch der Extremfall. Denn hier wurden Gesetze gezielt umgangen. Einzelne Mitarbeiter haben in den USA auch bereits einen „Betrug“ eingestanden. Und der Konzern akzeptierte sowohl dies- als auch jenseits des Atlantiks Milliardenstrafen. Den geschädigten Autofahrern brachte das bisher aber noch nichts. So müssen die europäischen Besitzer der Autos den höheren Wertverlust bei einem Verkauf nach wie vor hinnehmen. Und natürlich haben auch die Aktionäre, deren Papiere immer noch rund ein Viertel unter dem Stand des Sommers 2015 notieren, dieses Minus selbst zu tragen.


Das führt nun unweigerlich zu der Frage der Verantwortung des Managements. Millionengehälter für Vorstände werden ja in der Regel auch mit der Verantwortung begründet, die von diesen getragen wird. Wann, wenn nicht im Fall eines geplanten Rechtsbruchs, müsste diese Verantwortung schlagend werden? Sollte sich bei VW also ein konkretes Wissen des Topmanagements belegen lassen, müssen Strafen und Schadenersatzforderungen die Folge sein.

Dennoch sollte man sich einer Illusion nicht hingeben: Dass es in jedem Fall, bei dem ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist, auch einen Verantwortlichen gibt, der dafür zur Rechenschaft gezogen werden kann. Das zeigt ein Blick auf die Urteile gegen heimische Bankmanager der jüngsten Zeit. Vielfach gab es Freisprüche – trotz Milliardenverlusten, die mitunter sogar von den Steuerzahlern getragen werden mussten. Und diese Freisprüche konnten die Gerichte auch gut begründen: So wurden zwar zu hohe Risken eingegangen oder Situationen falsch eingeschätzt. Das sind aber keine Verfehlungen, die laut dem Strafgesetzbuch zu verfolgen sind.

Die Frage von möglichem Fehlverhalten und dessen Beweisbarkeit bestimmt nicht zuletzt auch den Buwog-Prozess, der nun in die entscheidende Phase geht. Auch hier gibt es eine Reihe von Ungereimtheiten und verdächtigen Indizien. Aber nur wenn es auch stichhaltige Beweise für ein strafrechtliches Vergehen gibt, kann es zu Schuldsprüchen kommen.

Das ist die Basis unseres Rechtssystems. Und das ist auch gut so.

E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2018)

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