"Blockierer"? Die Sozialpartner müssen sich etwas einfallen lassen

Der ansonsten eher bedächtige ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer hat jedenfalls Ende vergangener Woche ordentlich Dampf in Richtung Sozialpartner abgelassen.
Der ansonsten eher bedächtige ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer hat jedenfalls Ende vergangener Woche ordentlich Dampf in Richtung Sozialpartner abgelassen. (c) Clemens Fabry
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Türkis-Blau und die Sozialpartner - eine schwierige Beziehungskiste: Wadlbeißerei statt gemeinsamer Konfliktlösung. So wird das nichts.

Schlag nach beim Beziehungsratgeber: Was sind sichere Signale dafür, dass eine Partnerschaft am Ende ist? Nachlassender Respekt, schreibt der kluge Ratgeber, „beispielsweise, wenn einer schlecht über den anderen spricht“. Und sonst? „Wenn die gegenseitige Unterstützung der Partner nachlässt“, steht da auch noch. Binsenweisheiten? Durchaus. Und doch recht hilfreich bei der Erkenntnis: Die Beziehung zwischen Regierung und Sozialpartnern ist eindeutig kaputt. Daran wird eine sommerliche Auszeit wohl auch nur wenig ändern.

Der ansonsten eher bedächtige ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer hat jedenfalls Ende vergangener Woche ordentlich Dampf in Richtung Sozialpartner abgelassen. Wohlgemerkt: Er adressierte nicht nur rote Vertreter, sondern auch schwarze. „Kammerfunktionäre wollen sich weiter im Hinterzimmer etwas auspackeln“, schimpfte Nehammer also, nachdem es heftige Kritik an den Einsparungen bei den Sozialversicherungen gegeben hatte. Und, so Nehammer weiter, man habe es hier mit einer „Achse der Blockierer und Systembewahrer“ zu tun.

Da brauchen wir eigentlich keinen Beziehungsratgeber mehr. Aber der Vollständigkeit halber: Einer spricht schlecht über den anderen? Check.

Gut, dass es zwischen Regierung und Sozialpartnern kriselt, war mit Vorlage des Regierungsprogramms klar. Ganze fünf Mal kommen die Sozialpartner in dem 180-Seiten-Konvolut vor. Da wollte sich die Regierung wohl beziehungstechnisch Freiraum schaffen. Und das hat sie konsequent durchgezogen: Es kommt der Zwölf-Stunden-Arbeitstag ohne Einbindung der Sozialpartner; diese wiederum werden sukzessive aus dem wirtschaftspolitisch nicht unwesentlichen Generalrat der Nationalbank entfernt; und dann auch noch die Reform der (sozialpartnerschaftlich besetzten) Sozialversicherungen.

„Wenn die gegenseitige Unterstützung nachlässt“, nochmal: Check. Den Befund hätten wir also. Aber was tun? Sentimental werden? Die Sozialpartnerschaft hat als Gestaltungsfaktor in Österreich historisch tatsächlich große Bedeutung. Das System der wirtschafts- und sozialpolitischen Zusammenarbeit zwischen den Interessenverbänden der Arbeitgeber und Arbeitnehmer war wirklich verdienstvoll. Aber von der Vergangenheit zu zehren – das hält die beste Beziehung nicht aus.

Die Sozialpartnerschaft muss sich also verändern und wieder zur Konfliktlöserin werden. Ein reflexhaftes Nein zu allem, was in dem Land verändert werden sollte, ist gestalterisch eher mager. Der neue Wirtschaftskammer-Chef, Harald Mahrer, hat in seiner Antrittsrede erklärt, dass sich die Sozialpartnerschaft zu einer „Zukunftspartnerschaft“ entwickeln müsse – ohne den gewöhnlichen „Basarhandel“. Mit dem Ziel, „die großen Fragen zu lösen“.

Stimmt. Nur hat der Gute dann auch gleich von „Gräuelpropaganda“ der Arbeitnehmervertreter in Sachen Arbeitszeitflexibilisierung gesprochen. Sorry, aber so wird das nichts mit dem Gemeinsam-an-einem-Strang-Ziehen.

Dabei wäre das genau das Richtige für die Sozialpartner: Weniger gegenseitige Wadlbeißerei und mehr (gemeinsame) konstruktive Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik. Weniger „Des hamma immer schon so gemacht“ und mehr Mut zu Neuem. Weniger personelle Verquickung mit politischen Parteien und mehr objektiver Gestaltungswille.

Im Regierungsprogramm wurden ultimativ Reformen bei den gesetzlichen Interessenvertretungen der Sozialpartnerschaft gefordert – bei Arbeiter- und Wirtschaftskammer also. Bis zum 30. Juni wurde ihnen Zeit gegeben, „Einsparungspotenziale zu heben“. Ironischerweise ist dieses Ultimatum sang- und klanglos verstrichen. Um nicht weiteren Zündstoff ins lodernde Feuer zu werfen?

Auch egal. In der aktuellen Krise der Sozialpartner ist die Höhe von deren Verwaltungskosten und den Mitgliedsgebühren wahrlich nicht das drängendste Problem. Es geht um die Wiederherstellung der Kommunikation auf Augenhöhe, ohne polemisches Hickhack. Doch da müssen alle mitspielen.

Würde übrigens auch jeder Beziehungsratgeber empfehlen.

E-Mails an:hanna.kordik@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2018)

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