Beim Bundesheer kehrt die Mangelverwaltung zurück

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Türkis-Blau zeigt wenig Ambitionen, die notwendige technologische Aufrüstung der Truppe auch tatsächlich anzugehen.

Es war eine der weniger beachteten Aussagen von Alexander Van der Bellen vergangene Woche: Die Kapazitäten des Bundesheers seien erschöpft, sagte der Bundespräsident. Und: Es herrsche ein Investitionsstau. Van der Bellen, der bisher wenig Affinität zu jenem Heer hat erkennen lassen, dessen formeller Oberbefehlshaber er eigentlich ist, hat damit den derzeitigen Zustand der Truppe recht gut beschrieben. Man kann es auch noch schärfer formulieren: Nach einer kurzen Aufbruchphase wird das Bundesheer von der Politik wieder ausgehungert.

Das hatte in den vergangenen Jahrzehnten Tradition, egal, welche Regierungskonstellation gerade am Ruder war. Besonders schlimm war es in der letzten großen Koalition unter sozialdemokratischen Verteidigungsministern: Da wurden dem Heer die Budgets konsequent zusammengekürzt, sodass sogar schon der Treibstoff rationiert werden musste und die Einsatzfähigkeit praktisch nicht mehr gegeben war. Man war der Meinung, das Heer eigentlich gar nicht mehr zu brauchen und nur noch formal aufrechtzuerhalten.

Erst der letzte SPÖ-Verteidigungsminister, Hans Peter Doskozil, hat da einen Gesinnungswandel herbeigeführt und der Truppe ein neues Selbstbewusstsein verschafft. Wobei Doskozil die Gunst der Stunde genutzt hat: Die Flüchtlingskrise und gleichzeitig der islamistische Terror in Europa haben gezeigt, dass durchaus noch Bedrohungen vorhanden sind, für die der Staat militärische Kapazitäten benötigt. Die traditionelle militärische Bedrohung, der Angriff eines fremden Staates, scheint zwar momentan recht unwahrscheinlich, dafür gibt es umso vielfältigere neue Bedrohungsbilder: von Naturkatastrophen über Sabotageakte, Cyber-Angriffe bis hin zu terroristischen Aktionen.

Doskozil hat Bewusstsein geschaffen und ein Investitionsprogramm für das technologisch ausgehungerte Bundesheer in die Wege geleitet. Daran wollte die türkis-blaue Koalition, für die das Thema Sicherheit ein ganz zentrales ist, eigentlich festhalten: In den Koalitionsverhandlungen wurden ambitionierte Pläne gewälzt, wie der riesige Nachholbedarf bei der Ausrüstung aufgeholt werden kann. Die Budgets sollten sich im Laufe der Legislaturperiode jenem einen Prozent des BIPs annähern, das von Experten als Untergrenze für eine vernünftige Verteidigungspolitik angesehen wird.

Seit dem ersten türkis-blauen Budget herrscht im Heer Ernüchterung. Der Budgetzuwachs fiel bescheiden aus, für Investitionen wird auf Sonderbudgets vertröstet. Ob die tatsächlich zustande kommen werden, steht in den Sternen. Die Truppe kehrt wieder zur Mangelverwaltung zurück.


Verteidigungsminister Mario Kunasek sieht dem Treiben weitgehend tatenlos zu. Die neuen Bedrohungen sind zwar nicht verschwunden, aber die „Gunst der Stunde“ ist weg: Die Gefahren sind der Öffentlichkeit nicht so bewusst. Die neuerliche Vernachlässigung des Bundesheers hängt auch mit der politischen Konstellation zusammen. Das Sicherheitsthema steht für die Koalition zwar tatsächlich im Mittelpunkt, die Aktivitäten konzentrieren sich aber auf das Innenressort. Dort sitzt mit Herbert Kickl ein Minister, der in der FPÖ wesentlich stärkeres Gewicht hat als Mario Kunasek.

Über die Motive der ÖVP, das Heer wieder links liegen zu lassen, kann man nur spekulieren. Ist es mangelndes Interesse der Parteispitze an der Verteidigungspolitik? Oder spielt auch eine Rolle, dass man dem steirischen FPÖ-Landeschef Kunasek keine allzu große Bühne bieten will, damit er bei der nächsten Landtagswahl ÖVP-Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer nicht gefährlich werden kann?

Das Bundesheer wird wohl auch die kommenden Jahre mit bescheidenen Mitteln auskommen müssen. Exekutieren muss das der neue Generalstabschef Robert Brieger. Dass der einen öffentlichen Aufstand macht, um die Konditionen für das Heer zu verbessern, ist eher nicht zu erwarten. Brieger ist ein fähiger und respektabler Offizier. Öffentliche Auftritte sind aber nicht so sehr seine Stärke.

E-Mails an: martin.fritzl@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2018)

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