Nennt man die Verschiebung auf andere Zahler wirklich „sparen“?

Die AUVA gibt Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern Zuschüsse für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Die AUVA gibt Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern Zuschüsse für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.(c) Bilderbox
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Die Unfallversicherung wird enorme „Einsparungen“ vorlegen, die dann einfach anderswo im Sozialversicherungssystem wieder auftauchen werden.

„Einsparen“, sagt das Lexikon, bedeutet „etwas nicht verbrauchen bzw. in Anspruch nehmen“. Es bedeutet definitiv nicht „Ausgaben irgendwo hin verschieben, sodass sie bei der Organisation, bei der gespart werden soll, nicht mehr sichtbar sind“.

Diese Klärung steht deshalb so prominent, weil die Regierung offenbar zu zweiterer Definition neigt und uns demnächst wohl eine Reform der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) mit einer beeindruckenden Einsparungssumme von einer halben Milliarde Euro (bei 1,4 Mrd. Euro „Gesamtmasse“) präsentieren wird, die zu zwei Dritteln aus bloßen Verschiebungen der Geldquellen besteht. Das nennt man in geradem Deutsch „Etikettenschwindel“, nicht „Reform“. Wenn das ein Blaupause für die Gesundheitsreform wird, dann gute Nacht!

Man sieht das sehr schön an der Sache mit der Entgeltfortzahlung: Die AUVA gibt Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern Zuschüsse für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, die für Kleinbetriebe ja wirklich zum Problem werden kann. Sehr schön für die vielen Kleinunternehmen, die das Rückgrat der heimischen Wirtschaft repräsentieren. Weniger schön für die großen Unternehmen, die das über ihre AUVA-Beiträge (also über ohnehin viel zu hohe Lohnnebenkosten) mitzahlen, ohne etwas davon zu haben. Kein Wunder, dass die Industriellenvereinigung dagegen Sturm gelaufen ist. Zu Recht übrigens, denn der Zuschuss zur Entgeltfortzahlung hat mit Unfallversicherung sehr wenig zu tun und deshalb in der AUVA nichts verloren.

Das sieht offenbar auch die AUVA selbst so, denn in den vorgelegten Sparplänen kommt die Entgeltfortzahlung durchaus prominent vor. Allerdings nicht als Kandidat für die Abschaffung (das hätte wohl die Wirtschaftskammer als Schutzmantelmadonna der Kleinbetriebe auf die Palme getrieben), sondern als Übernahmekandidat für „andere Kostenträger“. Die 130 Mio. Euro sollen also nicht mehr von den AUVA-Beiträgen der Unternehmen abgezwackt werden, sondern aus anderen Quellen kommen.

Das gilt übrigens auch für die Kosten der Freizeitunfälle. Auch die haben in der rein aus Arbeitgeberbeiträgen gespeisten AUVA nichts verloren. Und auch die könnten verschoben werden. Schön für die Unfallversicherung, die sich allein durch diese beiden Posten rund 300 Mio. Euro ersparen kann und damit gleichzeitig das Regierungsziel, die Beiträge für die Unfallversicherung von 1,3 auf 0,8 Prozent zu senken, ermöglicht. Aber insgesamt natürlich keine „Einsparung“, weil diese 300 Mio. Euro an anderer Stelle im Sozialversicherungssystem wieder auftauchen werden.


Das lässt sich natürlich alles argumentieren. Aber man sollte es dann auch so kommunizieren. Und nicht dort von Einsparungen reden, wo nur simple Verschiebungen vorgenommen werden.

Das Ganze ist nämlich auch ein bisschen eine Grundsatzfrage. Das Gesundheitswesen samt Sozialversicherungssystem ist eine der großen Reformbaustellen in diesem Land, und es ist der Regierung hoch anzurechnen, dass sie an dieser Baustelle endlich echte Bautätigkeit entfaltet. Allerdings geht es auch ein wenig um das Wie. Vernünftig wären eine klare Analyse der Schwachpunkte und anschließend ein Umbau, der sich strukturell daran orientiert, wo was am besten und effizientesten erledigt werden kann. Da ergäben sich Sparpotenziale ganz einfach von selbst.

Das ist in einem politischen Umfeld mit entsprechenden Pressure Groups natürlich schwierig und auf dem Territorium der mächtigen Sozialpartnerorganisationen (ein solches ist die Sozialversicherungs-„Selbstverwaltung“) eine Herkulesaufgabe. Eine, die nur mit großer Ernsthaftigkeit zu bewältigen ist. Politgehabe der Art, dass man Sozialversicherungen vor Publikum zu gewaltigen „Einsparungen“ zwingt, die in Wirklichkeit nichts anderes als Kostenverschiebungen auf andere Zahler sind, gehören nicht zu dieser notwendigen Reform-Ernsthaftigkeit.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2018)

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