Drei starke Frauen an der Spitze der Opposition und ein Metternich

Innenminister Herbert Kickl.
Innenminister Herbert Kickl.(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Während SPÖ und Neos einen vielversprechenden Neuanfang wagen müssen, versucht sich das Innenministerium in Öffentlichkeitsarbeit à la Metternich.

An dieser Stelle war für diesen Tag ein umfassender Leitartikel geplant, der in dieser Zeitung vielleicht überraschend gewirkt hätte. SPÖ und Neos sorgen für positive Nachrichten für Österreich. Christian Kern und Matthias Strolz mögen mehr oder weniger Talent, politisches Handwerkszeug und Fortune gehabt haben, ihre Rücktritte haben aus einem Grund ihr Gutes: In einem Land, in dem für Frauen die gläserne Decke sichtlich tiefer als in anderen westlichen Ländern wie in Angela Merkels Deutschland oder Theresa Mays Großbritannien hängt, ist die Kür von Pamela Rendi-Wagner zur SPÖ-Chefin und Beate Meinl-Reisinger ein ermutigendes Zeichen für die noch lang nicht hergestellte Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Land. Mit Maria Stern auf Platz eins der Noch-Liste-Pilz ist die Oppositionsführung sogar in vollkommen weiblicher Hand.

In den vergangenen Tagen war immer wieder zu lesen gewesen, dass Rendi-Wagner nicht die erste Wahl in ihrer Partei gewesen sei. Das ist irrelevant, denn die Wahrheit lautet: Nach dem überhasteten Rückzug Christian Kerns gab es logischerweise überhaupt keine erste Wahl. Wichtig ist nur, ob sie die schwere Aufgabe der SPÖ-Führung bewältigt.

Ihre ersten Personalentscheidungen zeigen zumindest, dass sie ihren Kopf durchsetzt: Sie verdrängt Andreas Schieder aus der Klubführung und setzt mit Thomas Drozda einen Vertrauten und ein intellektuelles Schwergewicht ins bisher leichtgewichtige Parteisekretariat. Drozdas Ego und sein politisches Eigenleben einzufangen wird Teil ihrer ambitionierten Parteiführung sein.

Beate Meinl-Reisinger folgt Matthias Strolz bei den liberalen Neos. Sie überraschte nach ihrer Kür: Sie ist zum dritten Mal schwanger, ihr Mann, ein Richter, geht in Karenz. Auch Rendi-Wagners Mann, Beamter im Außenministerium, kümmert sich wohl mehr um die beiden gemeinsamen Kinder als manch andere Männer in traditionellen Ehen. Beide Frauen stehen also für ein gesellschaftspolitisch modernes Weltbild und werden dies ebenso wie ihr Geschlecht zur politischen Abgrenzung zu Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache verwenden.

Alle drei Frauen haben in ihren Parteien ein Problem, für dessen Lösung sie zu Angela Merkel blicken müssen. Sie müssen sich vor ihren übermächtig wirkenden Vorgängern lösen. Pamela Rendi-Wagner muss sich von der Pechsträhne des Christian Kern distanzieren und sich von ihm emanzipieren. Meinl-Reisinger muss sich aus dem Schatten ihres bisherigen Chefs Strolz lösen, den dieser noch länger werfen wird. Maria Stern von der Liste Pilz hat es am schwersten: Peter Pilz ist weder zu bändigen noch davon zu überzeugen, dass die Zeit mancher alter Politiker zu Ende ist. Allen drei Chefinnen ist das zuzutrauen.

Doch mitten in diese positive Reflexion der jüngsten österreichischen Innenpolitik platzte Montagabend ein geleaktes E-Mail des Sprechers von Innenminister Herbert Kickl an die Polizeidirektionen über die künftige Kommunikationslinie, in dem unter anderem angeordnet wird, Informationen für kritische Medien zu beschränken (siehe S. 4). Obwohl sich Kickl begrüßenswerter Weise gestern Abend davon distanzierte, ist das ein mehr als erstaunlicher Vorgang. Weniger wegen der Drohung, als Sanktion keine „Zuckerln“ mehr zu geben – das ist kein neues Vorgehen, wie Polizei- und Chronik-Journalisten seit vielen Jahren wissen. Exklusivmeldungen gehen an jene, die Polizeileistungen auch dann zu würdigen wissen, wenn es einmal härter zur Sache geht.

Aber schriftlich festgehalten wurde dieses Prozedere bisher noch nie. Auch wenn dies noch keine Orbánisierung ist: Diese Praxis ist klar abzulehnen und zu verhindern. Die Informationspolitik einer Behörde darf – im Gegensatz zu der einer Privatperson – nicht darin bestehen, Information(spflicht) mit positiver Berichterstattung zu verknüpfen. Schon jetzt warten Kollegen wie etwa „Presse“-Redakteurin Anna Thalhammer eine halbe Ewigkeit, bis Anfragen beantwortet werden.

Irgendwie klappt das nicht mit den rein erfreulichen Nachrichten aus der österreichischen Innenpolitik.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2018)

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