Bobos aller Bundesländer, vereinigt euch!

Pamela Rendi-Wagner hatte einen holprigen Start. Freundlich formuliert.
Pamela Rendi-Wagner hatte einen holprigen Start. Freundlich formuliert. (c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Der Start von Pamela Rendi-Wagner war holprig. Es kann nur mehr bergauf gehen, der Weg wird aber kein leichter sein. Die SPÖ scheint einen inneren Klassenkampf führen zu wollen.

Selbst Veteranen der österreichischen Sozialdemokratie können sich nicht an derartige Chaostage in der Partei, wie die vergangenen es waren, erinnern. Ein Parteichef, der plötzlich vor einem auf ihn zugeschnittenen Parteitag abtritt und für die EU-Liste kandidieren will. Echte und nicht gefragte Nachfolgekandidaten, die abwinken. Mächtige Landesparteien, die Zähne knirschend eine neue Parteichefin unterstützen, die sie nicht einmal als Wiener Stadträtin wollten. Eine neue Parteichefin, die einen Vertrauten in zentrale Machtposition setzt, der offenbar nur bei ihr so viel Vertrauen genießt.

Pamela Rendi-Wagner hatte einen holprigen Start. Freundlich formuliert. Das alles passierte ohne gerade verlorene Wahl und ohne Not. In Wien hatte sich Michael Ludwig gerade mit einem neuen Team aufgestellt und den Eindruck erweckt, die Wiener Landespartei endlich geeint zu haben. Nun wissen wir auch, dass der Graben nicht zwischen linken und rechten Flügeln verläuft, sondern zwischen Landgenossen und Wiener Bobos (Bourgeoise Bohémien). Als ein solcher wurde der neue Geschäftsführer, Thomas Drozda, fälschlich bezeichnet, ihm werden unter diesem falsch verwendeten und antiquierten Titel Abgehobenheit, akademische Bildung, elitärer Lebensstil und ausgiebiger Premieren- sowie Vernissagenbesuch vorgeworfen. Quasi ein roter Erhard Busek.

Mit der neuen Chefin sind die Karten neu gemischt – in der SPÖ, aber auch im gesamten Land. Für die Bundespolitik bringt der Wechsel eine neue mögliche Alternative, mit Christian Kern war eine Koalition mit Sebastian Kurz völlig ausgeschlossen, nun wäre sie nach einer Nationalratswahl sehr wohl möglich. Eine solche Variante war in der SPÖ kurz in Diskussion, nur Kern wusste nichts davon. Damit hätte Kurz gegenüber der FPÖ eine weitaus bessere Verhandlungsposition. Für die anderen Oppositionsparteien ist Rendi-Wagner mehr Vorgabe als Kern: Beate Meinl-Reisinger kann nicht mehr das Ass spielen, die einzige Frau im Ring zu sein. Die Grünen werden mit Werner Kogler ein Comeback gegen die urbane Politikerin mit echtem Doktortitel im Lebenslauf noch schwerer schaffen.

In TV-Konfrontationen werden sich Kurz und Heinz-Christian Strache nicht mehr aggressiv gegen einen strauchelnden SPÖ-Chef stellen können, gegen Rendi-Wagner wird höfliche Sachlichkeit gefragt sein, die kann nicht jeder.

Sowohl die Auswahl ihrer Stellvertreter als auch das Wahlergebnis beim Parteitag werden zeigen, wie fest Rendi-Wagner im Sattel des lahmenden SPÖ-Gauls sitzt. Aber wie die Herren Ludwig und Hans Peter Doskozil bereits wissen: Sie haben keine andere Wahl. Die finanzielle, organisatorische und inhaltliche Sanierung der SPÖ wird von der neuen Krisenmanagerin viel bis alles abverlangen. Bleibt die Regierung in den Umfragen und im gegenseitigen Umgang stabil wie bisher, wird auch die normale Oppositionsarbeit ein hartes Stück Arbeit. Im Parlamentsklub kann sie zudem nicht gerade auf hungrigen Talentenachwuchs zurückgreifen. So gesehen kann es nach diesem Start nur bergauf gehen, aber dieser Weg wird kein leichter sein. Eher mühsam und steinig.

rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2018)

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