Das BVT wird zu einer ersten Kraftprobe in der Koalition

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Der Nachrichtendienst ist seit der Razzia im Februar intern gelähmt und international isoliert. Das muss auch ein Thema für die Regierungsspitze sein.

Gert-René Polli mag man vieles vorwerfen können, ein linker FPÖ-Hasser ist er aber sicher nicht. Umso bemerkenswerter ist, was der frühere BVT-Direktor und bis vor Kurzem noch FPÖ-Berater im Untersuchungsausschuss von sich gegeben hat. „Die Hausdurchsuchung war weit überzogen und absurd“, sagte er dort. Und: „Das BVT ist tot.“

Polli hat den Kern des Problems benannt. Angesichts manch fragwürdiger Vorgänge im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ist es durchaus verständlich, dass die Staatsanwaltschaft den Nachrichtendienst des Innenministeriums genauer unter die Lupe genommen hat. Auch ein Nachrichtendienst steht nicht außerhalb der Gesetze. Doch das dabei gewählte Vorgehen hat quasi als Kollateralschaden das ganze BVT handlungsunfähig gemacht. Und das ist angesichts der Bedeutung dieser Behörde verantwortungslos und dumm.

Etliche Zeugen im Untersuchungsausschuss haben geschildert, dass das BVT seit der Razzia im Februar nicht nur intern gelähmt ist, sondern vor allem auch international isoliert. Auch wenn Innenminister Herbert Kickl das wortreich abstreitet – die Hinweise darauf häufen sich. Wenn nur noch spärliche Informationen von den Partnerdiensten eintreffen, Österreich bei Vernetzungstreffen kurzfristig ausgeladen wird und Rundmails mit dem bezeichnenden Vermerk „Except Austria“ verschickt werden, gefährdet das die Sicherheit des Landes.


Wer ist dafür verantwortlich? In erster Linie natürlich einmal die handelnden Personen in der Justiz. Also die Staatsanwältin, die eine – nach Ansicht vieler Beobachter und auch des Oberlandesgerichts – überschießende Hausdurchsuchung angeordnet hat, und der Richter, der diese im Eilverfahren bewilligt hat. Aber mindestens ebenso bedeutend ist der Beitrag aus dem Innenministerium. Der Generalsekretär und das Kabinett des Ministers haben weit mehr gemacht als nur eine mögliche Straftat zur Anzeige gebracht.

Da wurden Zeugen aufgetrieben, der Staatsanwaltschaft vermittelt, vorher noch in Vorgesprächen präpariert, zur Einvernahme begleitet. Da forderten Kabinettsmitarbeiter Hausdurchsuchungen, Telefonüberwachungen und die Verhaftung von Beschuldigten, sodass die Staatsanwältin in internen Mails über den vom Innenministerium aufgebauten Druck klagt. Und der Generalsekretär nahm persönlich an der Einsatzbesprechung für die Razzia teil. Nur eine Straftat angezeigt? Von wegen, die Spitze des Innenressorts war treibende Kraft bei diesen Vorgängen.


Wie geht es jetzt weiter? Oberstes Ziel muss zweifellos sein, Reputation und Handlungsfähigkeit des BVT wiederherzustellen. Und das ist in erster Linie eine politische Aufgabe. Dass Innenminister Herbert Kickl noch die nötige Autorität dafür aufbringt, darf man bezweifeln. Mit aggressiven Auftritten im Nationalrat mag er zwar die Opposition in Schach halten können, auf internationaler Ebene wird man damit aber niemanden beeindrucken können. Glaubwürdigkeit und Vertrauen gewinnt man damit schon gar nicht.

Auch beim Koalitionspartner ÖVP scheint sich langsam die Erkenntnis durchzusetzen, dass man sich da ein gröberes Problem eingehandelt hat. Noch gilt die Kurz-Doktrin, wonach Konflikte innerhalb der Koalition keinesfalls nach außen getragen werden dürfen, um das Bild einer streitfreien Regierung nicht zu gefährden; doch in diesem Fall sind erste Risse bereits deutlich sichtbar: Im Untersuchungsausschuss agiert die ÖVP motiviert und engagiert wie selten, und im Nationalrat fällt der Applaus für Minister Kickl aus den ÖVP-Reihen recht bescheiden aus. Das hat wohl auch mit persönlichen Beziehungen zu tun. Ein erklärtes Ziel der Kickl-Mannen ist es, mit einem „ÖVP-Netzwerk“ innerhalb des Innenministeriums aufzuräumen.

Letztlich ist das BVT jetzt nicht mehr Thema des Innenministers, sondern der Regierungsspitze. In der Causa BVT ist auch der Bundeskanzler gefordert.

E-Mails an: martin.fritzl@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2018)

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