Deutlich mehr als die Hälfte der nur vordergründig üppigen Metaller-Lohnerhöhung kassieren Finanz und Sozialversicherung ein. Das gehört repariert.
Am Ende des gewohnten Rituals aus Forderungen, Gegenforderungen, Streikdrohungen und Beschwörungen des Untergangs der Industrie steht heuer ein für die Arbeitnehmer recht respektables Ergebnis: „Die „Metaller“ bekommen im Schnitt um brutto 3,46 Prozent mehr Lohn und eine Reihe von Goodies zugestanden. Etwa hohe Zuschläge auf die 11. und 12. Tagesarbeitsstunde und auf die Wochenstunden, die über die fünfzigste hinaus gehen. Die Arbeitszeitflexibilisierung, deretwegen die Gewerkschaft einen heißen Herbst in Aussicht gestellt hatte, ist damit ordentlich abgefedert. Beziehungsweise, aus Sicht der Wirtschaft, beträchtlich teurer geworden.
Man könnte jetzt also beispielsweise darüber philosophieren, dass der Gewerkschaft gar nichts Besseres passieren konnte, als die Quasi-Aufkündigung der Sozialpartnerschaft alten Stils durch die Regierung. Je härter die Fronten, je weniger Rücksicht auf Koalitionsbefindlichkeiten genommen werden muss, desto besser offenbar der Abschluss. Schön für die Beschäftigten der Metallindustrie, die mit echten Reallohnerhöhungen in den vergangenen Jahren ja nicht gerade überschüttet wurden. Und die Industrie hält das, wie deren Vertreter erklärt haben, ja auch gerade noch aus. Wir haben schließlich Hochkonjunktur.
Allerdings sollten die Metall-Beschäftigten nicht zu laut jubeln: Der Abschluss täuscht nämlich ein wenig. Bei diesen Verhandlungen sitzen nämlich immer auch zwei ungebetene Gäste am Tisch: Das Finanzamt und die Sozialversicherung. Und die sind, auch wenn das keiner bemerkt, die eigentlichen Gewinner in diesem Spiel.
Der Thinktank Agenda Austria hat das für den aktuellen Lohnabschluss ausgerechnet. Bitte jetzt vorsichtshalber die Sitzgurte schließen, denn das Ergebnis könnte leicht zum Sturz vom Hocker führen.
Also: Der Durchschnitts-Metaller, dem brutto 3,46 Prozent mehr zugestanden werden, bekommt netto nur 2,8 Prozent mehr aufs Konto. Die Steuern und Abgaben, die er an Finanz und Sozialversicherung zu leisten hat, steigen aber um üppige 4,2 Prozent.
Noch plastischer: Der Arbeitgeber muss für diesen Durchschnitts-Metaller um 1641 Euro im Jahr mehr ausgeben. Dessen Nettoeinkommen steigt aber nur um 716 Euro. Deutlich mehr als die Hälfte der Lohnerhöhung (in unserem Beispiel 925 Euro) teilen sich Finanz und Sozialversicherung.
Bei einer Inflationsrate, die zuletzt in Österreich nach EU-Berechnungsmethode auf 2,4 Prozent geklettert ist, bleiben dem Arbeitnehmer vom auf den ersten Blick üppigen Lohnabschluss also nur ein paar Zehntelprozent Reallohnerhöhung über.
Und das ist derzeit an der Lohnfront wohl das größte Problem: Jahr für Jahr steigt die Lohnkostenbelastung der Unternehmen überdurchschnittlich an. Die damit finanzierten Nettolöhne aber nur unterdurchschnittlich. Eine bequeme Einnahmenquelle für den Finanzminister, der trotzdem kein ausgeglichenes Budget schafft, und für die Sozialversicherungen. Kein Wunder, dass Herr Löger von einer flotten Abschaffung der kalten Progression – die an diesem Mechanismus nicht unbeteiligt ist und die Arbeitnehmer bis 2020 1,6 Mrd. Euro kostet – so gar nichts wissen will.
Es ist ja auch recht einfach: Die meisten Steuerzahler bekommen gar nicht mit,wie sehr sie da geschoren werden. Da würde nur helfen, die völlig sinnbefreite Unterteilung in Lohnhaupt- und Nebenkosten abzuschaffen, den Arbeitnehmern den Gesamtlohn (Bruttolohn plus Lohnnebenkosten) zu überweisen und ihn die Abgaben selbst überweisen zu lassen.
Derzeit ist das ja nicht einmal den Parlamentariern bewusst: Die haben in der Vorwoche im Sozialausschuss ausführlich darüber gestritten, ob Arbeitgeber oder Arbeitnehmer mehr zur Finanzierung der Sozialversicherung beitragen. Statt zu erkennen, dass sie gleichermaßen die Gelackmeierten dieses Verschleierungssystems sind – und die Regierung gemeinsam aufzufordern, das zu reparieren.
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