Jeder hat das Recht auf seinen eigenen Hokuspokus

Globuli hom�opathisches Arzneimittel
Globuli hom�opathisches Arzneimittel(c) imago/Christian Ohde (imago stock&people)
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Bei aller berechtigten Skepsis gegenüber dem Zeitgeistphänomen Homöopathie: Ein Verbot würde zu weit führen.

Gänzlich auszuschließen ist es nicht, dass man, sagen wir, in hundert Jahren draufkommt, dass Homöopathie doch wirkt: weil die mehrfache Verdünnung des „Wirkstoffs“ irgendwelche Moleküle in Schwingungen versetzt oder warum auch immer. Stand jetzt sieht es allerdings nicht danach aus.

Erfunden bzw. erkannt hat die Homöopathie ein deutscher Arzt namens Samuel Hahnemann im ausgehenden 18. Jahrhundert. Die Philosophie dahinter: Das, was krank macht, soll auch gesund machen. Nur eben in stark verdünnter Form. Je verdünnter, desto besser. Klingt unlogisch? Ist es auch. Das sieht auch die Wissenschaft so.

Entfernt erinnert dieses Prinzip an die Impfung. Auch hier wird ein krank machender Stoff in abgeschwächter (oder toter) Form verabreicht. Dass dieser das Immunsystem stimuliert, ist aber erwiesen. Tatsächlich und wissenschaftlich. Bei der Homöopathie ist das nicht der Fall.

Michael Frass, Universitätsprofessor für Innere Medizin und Leiter des Wahlfachs Komplementärmedizin an der Med-Uni Wien, meinte hingegen gestern in der Zeitung „Heute“: „Die Wirksamkeit ist an Patienten, denen es mit Homöopathie besser geht – das kann nur teilweise ein Placeboeffekt sein –, zu sehen.“ Sein Wahlfach wurde unlängst von der Leitung der Med-Uni Wien nach Protesten von Studierenden abgedreht.

Der Zeitgeist – auch die Homöopathie war und ist ein Zeitgeistphänomen – frisst seine Kinder. Der Wunsch nach einer sanften Medizin im Schatten der großen Pharmakonzerne hat der lange Zeit vergessenen Homöopathie neues Leben eingehaucht. Am Anfang stand eine Allianz aus Naturbewegten und Esoterikern, später erreichte die Alternativmedizin dann auch die Mitte der Gesellschaft.

Das Thema Homöopathie ist in erster Linie eine Glaubensfrage. Die einen glauben daran, die anderen nicht. Der Markt ist auf jeden Fall da – und wird auch bestens bedient. Bestens verdient wird damit natürlich auch. Sodass die Pharmaindustrie, in diesem Fall die sanfte, gegen ein Verbot des Verkaufs von homöopathischen Produkten ist.

Ein solches hat die Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz vorgestern angeregt. Der Verkauf von Homöopathie in Apotheken sollte untersagt werden. Und Ärzte, die homöopathische Therapien anbieten, sollten ihre Patienten aufklären: „Das sind homöopathische Produkte, deren Wirksamkeit nicht erwiesen ist, das sind keine Medikamente.“
Gegen Letzteres ist nichts zu sagen, ganz im Gegenteil. Abgesehen davon, dass das jeder verantwortungsbewusste Arzt tun wird. Und die meisten Patienten wohl auch mündig genug sind, das ohnehin zu wissen.
Ersteres, ein Verbot, führt allerdings zu weit. So viel Selbstverantwortung, so viel Mündigkeit wird man den Patienten schon zutrauen müssen. Zumal – wenn bei der Homöopathie etwas gilt, dann der Grundsatz: Nutzt's nichts, schadet's nichts. Darauf kann man sich im Zweifel verlassen.

Wenn sich jemand Globuli, die für Homöopathie-Gegner ohnehin nur aus Zucker sind, zuführen möchte, dann soll er es tun. Wenn er sich danach besser fühlt – und wenn es nur wegen eines Placeboeffekts ist –, umso besser.

Viele Schulmediziner bieten heute auch Homöopathie an. Nicht alle werden wirklich daran glauben. Es ist vielmehr eine Art Feedback-Kreislauf: Der eine Patient fühlt sich danach besser, warum also nicht auch beim nächsten probieren? Ein Schaden ist ja nicht zu erwarten. Selbstredend sprechen wir hier nicht von ernsthaften Erkrankungen wie Krebs.

Und für jene, die wirklich an den verdünnten „Wirkstoff“ glauben, gibt es auch noch Hoffnung: „Wirkt Homöopathie womöglich doch?“, fragte der „Standard“ vor einigen Wochen. Er bezog sich auf einen Artikel im Fachblatt „Scientific Reports“: In Experimenten an Ratten, hieß es darin, sei eine Wirkung des homöopathisch verdünnten Eichenblättrigen Giftsumachs nachgewiesen worden. Kritiker wiesen allerdings auf etliche Ungereimtheiten hin.

E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2018)

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