Investieren wir das Heeresbudget besser in eine europäische Armee

Sollten wir weiter mit den Eurofightern fliegen oder doch Gripen anschaffen? Das ist die falsche Diskussion. Es geht um eine Verteidigungsunion.

Es war ein ziemliches Chaos, als sich 1995 das Eurokorps formierte. Da marschierten die Belgier im gemütlichen Gleichschritt dahin, die Deutschen dagegen flott mit 114 Schritt pro Minute, deutlich schneller auch als die Franzosen (95 Schritt pro Minute), und hinterher stolperten die Spanier. Die einen trugen das Barett links, die anderen rechts, die Franzosen senkten die Fahne vor ihrem Präsidenten, die Belgier nur vor dem König und die Deutschen vor gar niemandem.

Die Medien überboten sich damals mit langen Artikeln, in denen sie sich über die „unmögliche Idee“ des deutschen Bundeskanzlers, Helmut Kohl, und des französischen Präsidenten, François Mitterrand, lustig machten. Nie könne eine europäische Armee funktionieren, wenn es schon Diskussionen darüber gebe, auf welcher Seite man das Barett tragen solle.

In der Zwischenzeit hat das Eurokorps an verschiedenen Missionen teilgenommen und bewiesen, dass es funktioniert. Was es nicht ist, ist eine europäische Armee. Und das gehört geändert.

Es ist keine Frage, dass ein souveräner Staat ein eigenständiges Militär benötigt. Wenn dieser Staat aber Teil einer Union ist, dann gilt genau dieses Prinzip auch für den Staatenbund, der nur mit einer gemeinsamen Verteidigungspolitik und einer Armee, die diese Politik auch um- und durchsetzen kann, wirklich handlungsfähig ist. Derzeit steht Europa beispielsweise bei den Konflikten in der Ukraine und in Syrien an der Seitenlinie und schaut zu, wie Russland und die USA ihre eigenen Interessen verfolgen. Dabei fielen gerade diese beiden Krisenherde in die alleinige Zuständigkeit Europas.

Oder erinnern wir uns an den Bürgerkrieg in Jugoslawien und an die Gräueltaten im Kosovo in den 1990er-Jahren, als Europa nichts tat, außer Arbeitsgruppen einzusetzen. Erst nach dem Okay der USA griff die Nato in den Konflikt ein. Aus diesem Grund genügt auch die Mitgliedschaft in der Nato nicht, weil die Organisation in erster Linie von den USA diktiert wird, amerikanische Interessen verfolgt und man auch nicht weiß, wofür der Verteidigungspakt von einem unzurechnungsfähigen Präsidenten möglicherweise noch eingesetzt wird.

Österreich zeigt gerade mit der Debatte darüber, die Eurofighter zu verschrotten und stattdessen Gripen anzuschaffen, wie der Weg in die Zukunft nicht aussehen kann. Nicht nur wegen der möglichen Entscheidung für die Gripen, womit wir für die nächsten 20, 30 Jahre mit keinem Verteidigungspakt kompatibel wären (in Europa setzen nur noch Schweden, Tschechien und Ungarn diesen Flugzeugtyp ein). Sondern auch ganz grundsätzlich wegen der Investition in eine Nationalarmee, die in einem gemeinsamen Europa keine Existenzberechtigung mehr haben sollte und eigentlich nur noch dazu dient, an einem Tag im Jahr den Nationalstolz zu heben.


Nehmen wir die geschätzten zwei Milliarden Euro für die neuen Abfangjäger besser als Anzahlung für ein europäisches Verteidigungsbündnis, das zweifellos teuer wird. Die Union hat im November 2017 mit Pesco, der ständig strukturierten Zusammenarbeit in Militärfragen, einen wichtigen Schritt in diese Richtung gemacht. Österreich war bei der Geburt von Pesco zwar dabei, will aber dennoch an der Neutralität festhalten, die ein „Teil der österreichischen Identität“ sei, wie Außenministerin Karin Kneissl gemeint hat.

Interessant, dass eine Bundesregierung, die Österreich grundlegend umbauen will, sich nicht über die „immerwährende Neutralität“ traut, die seit dem Eintritt in die EU im klassischen Sinn ohnehin nicht mehr besteht. Die ÖVP hatte sich schon 1997 in einer Vorstandssitzung einstimmig auf einen Nato-Beitritt festgelegt, damals bremste der Koalitionspartner SPÖ. Interessant, dass das jetzt ausgerechnet die FPÖ macht, die früher in dieser Frage mit der ÖVP im Gleichschritt marschiert ist.

Wenn Verteidigungsminister Mario Kunasek erklärt, Österreich sei nicht bereit, Souveränität aufzugeben, dann hat er etwas falsch verstanden. Es geht nicht um Insellösungen, sondern darum, Solidarität zu zeigen und als Land bereit zu sein, sich für eine größere gemeinsame Sache zu engagieren.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2018)

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