Endlich ein Anlass für die längst fällige Reform des VfGH

Der Verfassungsrichter Michael Rami vertritt als Rechtsanwalt FPÖ-Regierungsmitglieder: Ein guter Anlass für eine Reform des Höchstgerichts.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis es wieder Aufregung um ein Mitglied des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) gibt. Jetzt also um Michael Rami, der als Rechtsanwalt FPÖ-Mitglieder der Bundesregierung vertritt. Einerseits Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der einen Politikberater geklagt hat. Andererseits Innenminister Herbert Kickl, der sich von Peter Pilz (Liste Jetzt) beleidigt fühlt.

Man muss das noch einmal deutlich machen: Ein Richter des Verfassungsgerichtshofs berät rechtlich jene Personen, über deren Agieren er möglicherweise einmal selbst urteilen muss. Der Kontrollor hilft also den Kontrollierten – denen er auch deshalb zu Dank verpflichtet ist, weil erst sie ihm den Job verschafft haben (Rami wurde auf Vorschlag der FPÖ Mitglied des VfGH).

Möglich macht die privatrechtliche Vertretung eine einzigartige Konstruktion: Nur in Österreich, das stolz das älteste Verfassungsgericht der Welt für sich beanspruchen darf, ist der Job des Höchstrichters ein Nebenberuf (im Gegensatz etwa zum Verwaltungsgerichtshof, dessen Richter hauptberuflich tätig sind).

Das wäre also der erste Ansatz einer längst überfälligen Reform des VfGH: Die Zahl der Mitglieder sollte von aktuell 14 (noch nicht eingerechnet die sechs Ersatzmitglieder) auf beispielsweise sieben reduziert werden, die diese Funktion dafür hauptberuflich ausüben (die USA kommen mit neun Richtern aus, die zwei Senate des deutschen Bundesverfassungsgerichts haben jeweils acht Mitglieder).

Die 14 nebenberuflichen Mitglieder klagen ohnehin über den enormen Zeitdruck, unter dem sie bei den viermal jährlich stattfindenden jeweils zwei- bis dreiwöchigen Sessionen des VfGH leiden. Vor allem aber kämen die sieben Richter nicht in den Verdacht, dass ihre hauptberufliche Tätigkeit vielleicht ihre nebenberufliche beeinflussen könnte. Zwar hat der Verfassungsgerichtshof strenge Befangenheitsregeln, ob ein Mitglied befangen ist, entscheidet es aber in erster Linie selbst.

Der Grund für die Nebentätigkeit der Höchstrichter geht auf die Monarchie zurück – und ähnlich wie einst 1867 erfolgt auch heute noch die Bestellung der Richter. Damals war es der Kaiser, der direkt oder auf Vorschlag der beiden Kammern des Reichsrats die 14 Mitglieder ernannte. Heute ernennt sie der Bundespräsident, der dabei an die Vorschläge gebunden ist, die ihm unterbreitet werden: acht von der Bundesregierung (Präsident, Vizepräsident und sechs Mitglieder), jeweils drei vom Nationalrat und vom Bundesrat.

Das sorgte dafür, dass sich SPÖ und ÖVP die Richterbestellungen über Jahrzehnte ausmachten. Wobei man die Richter „fair untereinander aufgeteilt“ habe, wie eine Rechtfertigung lautete. Mit dem Einzug der FPÖ in die Regierung ziehen jetzt eben auch FPÖ-nahe Juristen in das Höchstgericht ein.


Wozu diese parteipolitischen Bestellungen führen können, hat man bei der Bundespräsidentenwahl 2016 gesehen, als das Höchstgericht über die Wahlanfechtung der FPÖ zu urteilen hatte. Einer der Richter war Johannes Schnizer, einst Referent im SPÖ-Parlamentsklub und 2007/2008 Kabinettchef des damaligen Bundeskanzlers und SPÖ-Chefs, Alfred Gusenbauer. Schnizer äußerte damals in mehreren Interviews den Verdacht, dass die Anfechtung der Wahl von der FPÖ von langer Hand vorbereitet gewesen sei, und ließ wissen, er als Staatsbürger würde Alexander Van der Bellen vor Norbert Hofer als Bundespräsidenten präferieren. Nicht gerade ein Auftritt, der Vertrauen in die Unabhängigkeit des Höchstgerichts schuf.

Weg also mit dem Vorschlagsrecht der Bundesregierung! Stattdessen sollten die sieben Berufsrichter des Verfassungsgerichtshofs nach einem öffentlichen Hearing vom Nationalrat mit einer Zweidrittelmehrheit gewählt werden. Damit machen sich nicht die Regierenden und zu Kontrollierenden „fair untereinander“ aus, wer über sie urteilt.

Die Debatte über Michael Rami wäre ein guter Anlass für diese umfassende Reform des Verfassungsgerichtshofs.

E-Mails an:norbert.rief@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2019)

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