Wenn schon Postenschacher, dann bitte wenigstens transparent

Das Parlament wäre nicht der schlechteste Ort für Personalentscheidungen in staatsnahen Organisationen, die regierungsunabhängig agieren müssen.

Die Regierung will also jetzt auch den roten Teil der großkoalitionären Statistik Austria umfärben und sich den Lieferanten von Daten aller Art bei der Gelegenheit gleich stärker zur Brust nehmen. Und die Aufregung darüber ist groß.

Zu Unrecht. Zumindest, was den ersten Teil betrifft: Dass Personalbesetzungen im staatsnahen Bereich – vom Rechnungshof über die Nationalbank bis hin zu staatsnahen Unternehmen wie Verbund und ÖBB – nach der jeweils herrschenden politischen Farbenlehre vorgenommen werden, ist ebenso schlechte wie alte Tradition im Land.

Auch beim derzeitigen Chef des ausgegliederten Statistikamts wird bei der Bestellung ja nicht nur seine unbestrittene fachliche Kompetenz eine Rolle gespielt haben. Sondern auch das Faktum, dass er wirtschaftspolitischer Berater des früheren SPÖ-Bundeskanzlers Werner Faymann war. Und dem kommenden Nationalbank-Gouverneur hätten seine überragende Kompetenz und beeindruckende internationale Vernetzung ziemlich wenig geholfen, wenn er als Parteigänger der SPÖ oder der Grünen gegolten hätte.

Das kann man jetzt gut finden oder nicht. Man kommt aber nicht über die Tatsache hinweg, dass in jeder Organisation letztendlich der Eigentümer die Personalpolitik bestimmt. Und das ist bei Organisationen, die in welcher Form auch immer mehrheitlich dem Staat gehören, eben die jeweilige Regierung.

Das ist natürlich ein Dilemma. Denn gerade Organisationen wie Notenbank, Statistikbehörde und Rechnungshof sollten ja möglichst unabhängig von der Regierung agieren. Wenn sich der Staat einfach an der Notenpresse bedienen kann (was die Euro-Mitgliedschaft freilich ohnehin verhindert), die Statistikbehörde der Regierungspropaganda maßgeschneiderte Dateninterpretationen liefert und der Rechnungshof zu- statt aufdeckt, dann ist Feuer auf dem Staatsdach.

In Österreich ist das glücklicherweise kein Thema, was teilweise auch mit starken Persönlichkeiten beispielsweise an der Spitze des Rechnungshofs zu tun hatte. Und mit relativer Distanz der Regierung zu all diesen Institutionen – ausgenommen eben die Personalbesetzungen.

Wenn sich allerdings die in Wien umlaufenden Gerüchte bewahrheiten, dass sich das Bundeskanzleramt die Statistik Austria stärker zur Brust nehmen und de facto seine „Message Control“ über die Zahlensammler stülpen will, dann bekommt die (bis zu einem gewissen Grad nicht vermeidbare) Einflussnahme demokratiepolitisch eine völlig neue Dimension. Und da müssen dann alle Alarmglocken schrillen. Regierungsamtlich vorgefiltertes und interpretiertes Datenmaterial braucht in einer Demokratie wirklich kein Mensch. Hände weg, kann man da nur sagen!


Aber wie lösen wir das zugrunde liegende Dilemma? Eine kleine Hilfe bietet die Unternehmensform: Eine in Bundesbesitz stehende Aktiengesellschaft, wie etwa die Nationalbank, liefert einen wesentlich besseren Schutzschild gegen die Einflussnahme auf das Tagesgeschäft als eine Bundesanstalt öffentlichen Rechts wie die Statistik Austria. Aber immer noch keinen perfekten.

Keine schlechte Idee ist daher der gestern von Statistik-Chef Konrad Pesendorfer ins Spiel gebrachte und von den Neos unterstützte Vorschlag, die Letztentscheidung in Personalfragen dem Parlament mit Zweidrittelmehrheit zu übertragen. Bei den in Österreich üblichen Konstellationen müsste die Regierung da zumindest eine Oppositionspartei ins Boot holen. Hätte bei Personalentscheidungen also Argumentationsbedarf.

Dass das dem vor der Ablöse stehenden SP-nahen Statistik-Chef erst zum wahrscheinlichen Ende seiner Amtszeit einfällt, ist natürlich ein durchaus pikantes Detail. Zumal er selbst seine Funktion ja in recht hohem Maß auch gesellschaftspolitisch im Sinne seiner „Erfinder“ verstanden hat.

Das ändert aber nichts daran, dass die Topbesetzungen in staatsnahen Organisationen mit hohem Unabhängigkeitsanspruch möglichst transparent und nachvollziehbar gestaltet werden sollten. Und dafür wäre das Parlament nicht der schlechteste Ort.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2019)

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