Kurz gab bei Trump den Collegeboy-Premier. Als Schwiegersohn der Nation wusste er, dass man sich beim ersten Treffen nicht über den Tisch ziehen lässt.
Für seine Gegner in Österreich war es ein „perfect match“, wie die Amerikaner sagen. Sebastian Kurz besucht Donald Trump im Weißen Haus: Der moderne Rechtspopulist mit den guten Manieren und der passenden Frisur trifft auf den alten Rechtspopulisten mit den schlechten Manieren und der unpassenden Frisur. Ein kleines Gipfeltreffen der Bösewichte also. Ein wohliger Schauer erfasste das Mitte-links-Lager, das zumindest noch funktionierende Feindbilder hat, wenn schon die Führung im Winterschlaf ist.
Eine lokale SPÖ-Unterorganisation unweit Wiens schrieb via US-Facebook-Kanal von „zwei aufgeblasenen Hampelmännern“, die nur ein Selfie machen wollten. Eine Seelenverwandtschaft zwischen Trump und Kurz konstatierte auch die „New York Times“. Die führende US-Zeitung hielt außerdem fest, dass es eine große Ehre für Österreich sei, dass Trump dem jungen europäischen Regierungschef so viel Aufmerksamkeit schenke. Tatsächlich wurde der einstündige Besuch, den die Kurz-Gegner in Österreich zuvor konsequent als 15-Minuten-Stippvisite dargestellt hatten, im letzten Moment besonders aufgewertet. Zum Delegationsgespräch, für das der Kanzler lediglich seine engsten Mitarbeiter und Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer angemeldet hatte, nahm Trump seine Führungsmannschaft samt Außenminister und Vizepräsident mit. Über die Gründe für diese überdimensionale Zuwendung zu einem irrelevanten Kleinstaat darf spekuliert werden. Das nüchterne Motiv: Die Trump-Administration sucht Draht zu EU-Mitgliedern, die Merkel fern, Russland geopolitisch nahe stehen und sich vom Iran distanzieren könnten. Die simplere Erklärung: Trump und sein Umfeld waren sichtlich neugierig auf Kurz, den viele US-Medien schon interviewt oder porträtiert hatten. Sowohl sein junges Alter als auch seine Mitte-rechts-Politik gegen unkontrollierte Zuwanderung weckten das Interesse der Republikaner.
Die Jugendnummer von Kurz zieht fast immer: Er trat denn auch als höflicher Collegeboy-Kanzler bei Donald Trump auf, hielt sich aber offenbar an die alte Schwiegersohnregel: Beim ersten Treffen mit dem Schwiegervater darfst du dich keinesfalls über den Tisch ziehen lassen und zu allem Ja und Amen sagen. Wie kontrovers das Treffen wirklich verlaufen ist, werden wir mangels Tonbandprotokollen nie erfahren: Es war aber definitiv kein vorgestanztes Diplomatensäuseln. Das kann Trump nämlich gar nicht, und das liegt Kurz ebenfalls nicht.
Gleich bei mehreren Themen gab es Widerspruch: Trump und seine Fachminister hielten an ihrem gnadenlosen wirtschaftsimperialistischen Plan fest, die EU mit ihren Autozolldrohungen zu einfacheren Landwirtschaftsimporten zu zwingen und Österreichs Teilnahme (via OMV) am russisch-deutschen Gasleitungsprojekt Nord Stream 2 zu verhindern. Das sagte Trump offen, Kurz hielt laut eigenen Angaben dagegen und erklärte dies mit den vitalen Wirtschaftsinteressen Österreichs. Trump habe dies verstanden, aber nicht akzeptiert.
Genau darin liegt vielleicht der Grund für Trumps Erfolg in den USA, den die Europäer nicht verstehen wollen: Trump ist ein Unternehmer, der ein gutes Geschäft machen will und das rücksichtslos durchzieht. Diese Sprache versteht jeder Amerikaner und verschreckt Europas Politiker. Das macht ihn nicht zu einem besseren, berechenbareren und weniger absurden Präsidenten, könnte aber als Erklärung für seine Wahl dienen. Und ohne sehr guten Gegenkandidaten für seine Wiederwahl.
Diesen Besuch kann Kurz als Erfolg verbuchen. Erstens ist die Absenz von Karfreitagsabsurditäten immer angenehm, zweitens helfen Weltpolitikfotos verlässlich bei der Wählergunst, drittens werden in den US-Talkshows endlich wieder Känguru-Witze über Österreich gerissen, und viertens konnte nach der andauernden Anbiederung an Wladimir Putin und Russland ein Besuch in Washington nicht schaden. So traurig das für viele in Österreich auch noch im Nachhinein sein mag: Der als Messias verehrte Barack Obama hat die kleine Republik unter ihrer SPÖ-ÖVP-Führung nicht einmal ignoriert. Trump hat sich nun einmal informiert.
E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2019)