Doch keine lahmen Egoisten: Wenn Schüler auf die Straße gehen

Greta Thunbergs Appell für den Klimaschutz trifft auch hierzulande einen Nerv.
Greta Thunbergs Appell für den Klimaschutz trifft auch hierzulande einen Nerv. REUTERS
  • Drucken

Jahrelang wurde über die Jugend lamentiert – jetzt demonstrieren die Schüler für den Klimaschutz. Das ist (auch) ein Fall für die Schule.

Politisch desinteressierte, karrieregeile Egoisten, die auf Bildschirme starren, ihre größte Angst der Statusverlust – und hinter alledem die Überzeugung, sowieso nichts bewirken zu können: Das ist ein Potpourri der Eigenschaften, die Jugendlichen in den vergangenen Jahren zugeschrieben wurden. Aufbegehren? Fehlanzeige! Und plötzlich gehen zumindest manche doch auf die Straße. Sie demonstrieren nicht für besseren Handyempfang, nicht für flottere Bachelorstudien und auch nicht für ein Update von Instagram. Sondern für ein scheinbar abstraktes Thema, bei dem der US-Präsident noch Nachholbedarf hat: für das Klima.

Ursprünglich angestoßen hat all das Greta Thunberg, die 16-jährige Schwedin mit den langen braunen Zöpfen – die wegen ihres Asperger-Syndroms in den sozialen Medien übrigens einiges an Kränkungen erlitten hat. Ihr Appell für den Klimaschutz trifft auch hierzulande einen Nerv. Nach knapp drei Monaten scheinen die freitäglichen Demonstrationen für die Zukunft auch in Österreich Fahrt aufzunehmen. In allen Bundesländern sind (kleinere und größere) Proteste geplant.

Ganz verwunderlich ist es nicht, dass ausgerechnet dieses Thema junge Menschen auf die Straße treibt. Umweltverschmutzung, Klimawandel und Naturkatastrophen werden von heimischen Jugendlichen als Problem Nummer eins gesehen, das hat vor nicht allzu langer Zeit eine Millennialstudie gezeigt. Umwelt rangiert damit deutlich vor Terror und Krieg sowie vor dem Thema, das der älteren Generation die meisten Sorgen bereitet: Zuwanderung und Flüchtlingsströme.

Während in Deutschland mit FDP-Chef Christian Lindner ein Politiker den jungen Menschen die Kompetenz abspricht, das Klimathema zu verstehen, unterstützen inzwischen zahlreiche Forscher die Jugendlichen in ihrem Appell für Nachhaltigkeit. Wenn geunkt wird, die Proteste seien eine gefährliche Beeinflussung von Kindern, ist das vor dem Hintergrund der Lamenti über die desinteressierte Jugend ein bisschen scheinheilig. Denn in der Regel sind es ja keine Zehnjährigen, die auf die Straße gehen: Die meisten Schüler, die für den Klimaschutz demonstrieren, dürfen (und sollen!) schon jetzt oder zumindest in ein, zwei Jahren auch Wahlentscheidungen treffen. Andererseits ist klar, dass es gerade bei jungen Menschen besonders wichtig ist, zu klären, wer und was hinter einer Aktion steckt. Wie kam es zum Hype um Greta? Wer organisiert die Proteste? Wer hat welche Interessen? Das ist nicht zuletzt Aufgabe von Eltern und Lehrern.

Man darf sowieso hoffen, dass kein kluger Pädagoge, keine kluge Pädagogin ein Thema, das viele Schüler so beschäftigt, ignoriert. Noch dazu, wenn man es praktisch in allen Schulfächern beleuchten kann: von den Naturwissenschaften über Geografie und Wirtschaftskunde bis zu Deutsch und Medien. Und natürlich wäre es auch ein Fall für die oft eingeforderte politische Bildung. Erst vor drei Tagen hat sich das heimische Schülerparlament wieder einmal ein entsprechendes eigenes Fach ab der siebenten Schulstufe gewünscht.

Apropos Schule: Eine der zentralen Fragen, die Schüler, Eltern und Lehrer rund um den Klimastreik bewegt, ist die, ob der Protest das Fernbleiben vom Unterricht rechtfertigt. Die offizielle Antwort ist Jein. In den meisten Bundesländern ist die Teilnahme an der Demonstration kein Entschuldigungsgrund – in anderen darf die Schule autonom entscheiden, ob der Streik als Schwänzen gilt oder ob die Schüler dafür auf einige Unterrichtsstunden verzichten können.

Gegen eine Freistellung spricht jedenfalls einiges. Was, wenn das nächste Thema heikler ist als das Klima? Wenn Schüler für den Austritt aus der EU, die Abschaffung der Republik, die Wiedereinführung der Todesstrafe demonstrieren wollen? Gibt es dafür auch schulfrei? Und wenn es Schülern wirklich so wichtig ist, für den Klimaschutz zu demonstrieren, dass sie am Freitag die Schule ausfallen lassen, müssen sie auch bereit sein, die Konsequenzen zu tragen. Solche Entscheidungen gehören zum Erwachsenwerden dazu.

E-Mails:bernadette.bayrhammer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Schule

Bildungsministerium: Klima-Demo ist keine Entschuldigung

Per Erlass weist das Ministerium die Bildungsdirektionen an, einheitlich mit dem Streik umzugehen. Für das Anliegen hat man Sympathien.
Schule

Schüler wollen mehr: „Klima steht nicht auf der Prüfungsliste“

Viele Schüler vermissen die tiefergehende Beschäftigung mit Klima in der Schule. Der Bildungsminister ist offen dafür, es stärker in den Lehrplänen zu verankern.
BUNDESPRAeSIDENT VAN DER BELLEN EMPFAeNGT DIE 'FRIDAYS FOR FUTURE'-ORGANISATOREN
Österreich

Van der Bellen empfängt Klimademo-Organisatoren

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Montag die Aktivisten von "FridaysforFuture" zu einem Gespräch empfangen und äußerte erneut Verständnis für die Proteste.
WIEN: KLIMA-DEMO - 'FRIDAYSFORFUTURE'
Österreich

Klima-Demo: „Fehlstunden verkraftet man“

Mehr als 10.000 Schüler gingen am Freitag in Wien auf die Straße, um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren.
Walk of Häme

Entschuldigung von VdB

Oder: Warum onkelhafte Politiker Greta Thunbergs Botschaft weitertragen helfen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.