Alle verbieten ist auch keine Lösung

Mit PR–Aktionen und dem Ruf nach neuen Verboten wird man radikale Ideen nicht zurückdrängen. Es braucht schon eine politische Auseinandersetzung.

Vor einem Jahr hatte es ein rechtsradikales Konzert gegeben, nun fanden Hausdurchsuchungen in der Szene statt. Dass so eine Nachricht wie am Dienstag gleich von den Generalsekretären des Justiz- und Innenministeriums per Pressekonferenz bekannt gegeben wird, ist unüblich. Und es nährt den Verdacht, dass die Regierung die eher mittelspektakuläre Meldung groß trommeln möchte, um ihre Bemühungen im Kampf gegen Rechtsradikale zu unterstreichen.

In der Sache ist es nur richtig, dass die Justiz ihren Job macht und gegen mögliche Nationalsozialisten ermittelt. Das Verbotsgesetz bietet auch ausreichend Möglichkeit dazu. Doch ist das Thema Rechtsradikale nicht das geeignetste, um schnelle Schlagzeilen zu produzieren. Genau das wurde zuletzt aber auch schon in der Debatte zu den Identitären, die mit den jetzigen Hausdurchsuchungen allerdings nichts zu tun haben, versucht.

So kündigte Bundeskanzler Sebastian Kurz in der Vorwoche an, ein Verbot der Identitären prüfen zu lassen. Man solle europaweit rechtsradikale Parteien verbieten, forderte sogleich Andreas Schieder, Spitzenkandidat der SPÖ für die EU-Wahl. „Identitäre: 57 Prozent wollen ein Verbot“, titelte eine große Boulevardzeitung bezugnehmend auf eine Meinungsumfrage.

Nun sollte man in der ganzen Aufregung zum Thema Identitäre aber nicht vergessen, dass in einem Rechtsstaat nicht eine Abstimmung darüber entscheiden darf, welche Gruppierung erlaubt ist. Ebenso wirkt es etwas kurios, wenn Politiker sagen, welche Konkurrenzparteien sie noch zur Wahl zulassen wollen.

Die Gefahren von radikalen Gruppierungen sollte man nicht leugnen. Doch reicht die bestehende Gesetzeslage aus, um die Gefahr zu bekämpfen. Neben dem Verbotsgesetz gibt es auch noch das sonstige Strafrecht, das wirkt, wenn politische Aktivisten gewalttätig oder gefährlich werden. Und entscheiden sollen Gerichte.

Parteien oder Vereine dürfen längst aufgelöst werden, wenn sie gegen das Strafrecht verstoßen. Und es wäre zu hoffen, dass das für die Überwachung zuständige Innenministerium immer einen kritischen Blick auf gefährliche Vereinigungen hat. Und nicht nur, wenn die Regierung das ankündigt. Was derartige Ansagen wert sind, hat man ja bei der pennalen Burschenschaft Germania gesehen, die bestehen bleiben durfte.

Zu einfach machen es sich Politiker daher, wenn sie bei neuen politischen Strömungen ohne strafrechtliche Beweise sofort mit der Verbotskeule kommen. In einer Demokratie muss die Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner in erster Linie durch Worte geführt werden. Sich von radikalen Bewegungen öffentlich abzugrenzen gehört dazu. Wenn Kanzler Kurz nun eine Grenzziehung der FPÖ zu den Identitären fordert, ist das nur folgerichtig. Glaubwürdig ist so eine Abgrenzung aber nur, wenn sie auch inhaltlich erfolgt. So ließ sich die gesamte Bundesregierung (also auch die ÖVP) im Vorjahr bei der Debatte um den UN-Migrationspakt von den Identitären treiben. Da blieb dann kein Raum mehr, um die möglichen Vor- und Nachteile des Abkommens seriös zu diskutieren.

Eine politische Auseinandersetzung bedeutet aber auch, dass man bei Problemen nicht den Kopf in den Sand stecken darf, wie es linke Parteien oft in der Migrationsfrage tun. Es hat einen Grund, warum Bewegungen wie die Identitären entstehen oder populistische Parteien in Europa auf dem Vormarsch sind. Verbieten ist da keine Lösung. Und man muss die Inhalte dieser Gruppen nicht gleich teilen, man kann die dahinter stehenden Ängste als Politiker ja auch anders ernst nehmen.

All diese Dinge sind natürlich anstrengender, als schnelle Schlagzeilen zu produzieren. Doch Demokratie ist nun einmal anstrengend. Und solange eine Gruppierung nicht gegen das Strafrecht verstößt, muss man Meinungen mit Worten bekämpfen. Denn am Ende entscheidet sich in einer Demokratie erst an der Wahlurne, wer recht hat. Radikale Ideen wird man aber nur mit politischer Überzeugungsarbeit zurückdrängen, und nicht mit raschen PR-Aktionen.

E-Mails an:philipp.aichinger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2019)

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