Auf die große Staatsreform müssen wir wohl noch eine Weile warten

OeSTERREICHISCHER EU-RATSVORSITZ 2018 - INFORMELLE TAGUNG DER EURO-GRUPPE UND WIRTSCHAFTS- UND FINANZMINISTER: LOeGER
OeSTERREICHISCHER EU-RATSVORSITZ 2018 - INFORMELLE TAGUNG DER EURO-GRUPPE UND WIRTSCHAFTS- UND FINANZMINISTER: LOeGERAPA/HERBERT NEUBAUER
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Im derzeitigen föderalen Machtgefüge sollten wir uns keine großen Hoffnungen auf echte Strukturreformen machen. Das gilt auch für die Steuerreform.

Österreich liegt in der Welthitparade der Steuer- und Abgabenbelastung unter den Top Ten und bei der Belastung von Arbeitseinkommen mit sagenhaften 47,6Prozent sogar unter den Top Five. Das ist blamabel, zumal uns von der nun doch schon seit eineinhalb Jahren amtierenden Regierung das exakte Gegenteil versprochen worden ist.

Gut, die angekündigte große Steuerreform kommt ja erst. Aber was bisher so durchgesickert ist, wird sie erstens keine wirkliche Steuerstrukturreform sein (also an der überproportionalen Belastung der Arbeitseinkommen im Prinzip nichts ändern) und zweitens eher mickrig ausfallen. Von den im letzten Wahlkampf groß hinausposaunten 14Milliarden „Spielmasse“ ist jedenfalls nichts mehr zu sehen. Wie es aussieht, wird es vom Volumen her eher an die auch in der Vergangenheit übliche bloße Teilrückvergütung der kalten Progression herankommen.

Das ist enttäuschend, aber kein Wunder: Steuersenkungen müssen gegenfinanziert werden. Entweder durch Schulden oder durch Ausgabensenkungen. Der Finanzminister hat die Lage derzeit insofern im Griff, als der Gesamtstaat zuletzt erstmals seit Jahrzehnten mit seinen Einnahmen ausgekommen ist. Allerdings in einem Hochkonjunkturjahr mit Rekordsteuereinnahmen. Bei nachlassender Konjunktur ist da jeder Spielraum weg.

Außer natürlich, man geht den einzig nachhaltigen Weg und sieht sich das Ausgabenproblem des Staates näher an. Nur dort sind die Spielräume für substanzielle Steuerreformen, die auch eine echte Senkung der Steuerquote bringen, zu finden. Substanz ist hier wirklich genug vorhanden und ausreichend identifiziert: Wirtschaftsforscher sehen Sparpotenziale von drei bis über zehn Mrd. Euro, ohne dass das Land deshalb zur sozial kalten, neoliberalen Wüste mutieren würde. Einfach durch Effizienzsteigerung und Beseitigung der zahlreichen Systemfehler, die sich eingeschlichen haben und den Staat zur intransparenten Geldvernichtungsmaschine machen.

Das ist jetzt nicht unbedingt eine neue Erkenntnis: Seit vielen Jahrzehnten machen Wirtschaftsforscher und Rechnungshof-Präsidenten auf den Sand aufmerksam, der das Staatsgetriebe zum Knirschen bringt. Aber keine Regierung der letzten 30, 40 Jahre hat es gewagt, an die Reparatur zu gehen. Auch die derzeitige hat diesbezügliche Hoffnungen bisher enttäuscht.


Das liegt daran, dass die teuren Systemfehler ihren Kern in einem zentralen „Bug“ haben: der heimischen Form des intransparenten, landesherrlichen Föderalismus, der die meisten notwendigen Reformen – vom Gesundheitswesen über Bildung und Bürokratie bis zu den Förderungen – unmöglich macht.

Um zu wissen, wo der Hebel angesetzt werden kann, müsste man nämlich erst einmal genau feststellen, wo was schiefläuft. Das ist aber unmöglich, wenn Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen den Finanzminister dumm sterben lassen. Die Transparenzdatenbank, die eine Grundlage für die Effizienzsteigerung des Staates bilden sollte, wird ja noch immer nicht ausreichend befüllt. Gesamtstaatlich ist der Finanzminister also im Blindflug unterwegs. Die im Interview mit Franz Schellhorn angesprochene Anekdote, wonach der Finanzminister als Letzter von den ausgeglichenen Staatsfinanzen erfahren hat, ist dafür bezeichnend.

Wenn man den Staat wirklich von Grund auf reformieren und auch finanziell zukunftsfit machen will, muss man also zwingend zuerst das ineffiziente föderale Bund-Land-Gefüge neu ordnen. Dazu ist aber auch diese Regierung zu schwach, wie die Verwässerung der Sozialversicherungsreform durch die Länder eindrucksvoll gezeigt hat.

In den derzeitigen politischen Machtstrukturen sollten wir uns also keine Hoffnungen auf wirkliche strukturelle Reformen machen. Auch bei den Steuern nicht. Es ist schon viel erreicht, wenn die Regierung (im Gegensatz zu den vorangegangenen) den engen Spielraum, den ihr unser Gamsbartföderalismus lässt, für partielle Verbesserungen ausnutzt. Auf die große Staatsreform müssen wir wohl noch warten.

E-Mails an:josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2019)

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