Schlafwandler, Brandstifter und Dilettanten am Persischen Golf

Der Iran und die USA steuern auf einen Krieg zu. (Archivbild)
Der Iran und die USA steuern auf einen Krieg zu. (Archivbild)APA/AFP/GERRY PENNY
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Der Iran und die USA steuern auf einen Krieg zu. Die Folgen wären desaströs. Doch Europa fehlen Staatsmänner mit Statur, die beherzt dazwischengehen.

Man muss nicht bis ins Jahr 1914 zurückgehen, um zu wissen: Die Wege zum Krieg sind mit Ultimaten gepflastert. Jetzt hat auch das iranische Regime eine Frist gesetzt. 60 Tage hat die Führung in Teheran den nach wie vor pakttreuen Unterzeichnerstaaten des Atomabkommens – also Frankreich, Deutschland, Großbritannien, China und Russland – Zeit gegeben, um den amerikanischen Öl- und Finanzboykott wirkungsvoll auszuhebeln.

Sollte das nicht der Fall sein, will ein Jahr nach den USA auch der Iran aus dem 2015 in Wien geschlossenen Vertrag aussteigen und wieder nach Lust und Laune Uran anreichern. Das Tor zur Atombombe stünde offen.

Der Crash ist vorgezeichnet. Der iranische und der amerikanische Zug rasen aufeinander zu. In den Lokführerkabinen haben Hardliner das Kommando übernommen. Die europäischen Bahnhofswärter schauen verdutzt zu. Keiner von ihnen bringt die Kraft auf, die Weichen umzustellen oder ein Stoppsignal hochzuziehen. Und China und Russland rechnen wohl bereits den Nutzen durch, den sie aus dem Chaos ziehen können.

Die Zweckgesellschaft, die es europäischen Unternehmen ermöglichen sollte, weiter im Geschäft mit dem Iran zu bleiben, war von Anfang an nur eine gut gemeinte Sinnlosgesellschaft. Wer Geschäftsbeziehungen mit den USA hat oder anstrebt, wird sich aus Angst vor US-Sekundärstrafen auf keine Umgehungskonstruktionen einlassen, sondern den Iran meiden wie ein Diabetiker das Baklava. Da reicht ein schlichter Vergleich der Marktdimensionen.

Doch US-Präsident Donald Trump irrt gewaltig, wenn er glaubt, die Islamische Republik in die Knie zwingen zu können. So tief die iranische Währung und Wirtschaft auch fallen, die Mullahs werden nicht angekrochen kommen und Trump um einen neuen Deal anflehen. Kapitulation steht für sie prinzipiell nicht am Anfang von Verhandlungen.

Da weiß die Führung in Teheran auch die Bevölkerung hinter sich. Wenn das Land etwas zusammenschweißt, dann der Nationalstolz. Und deshalb wäre es auch eine Illusion anzunehmen, dass der Zorn über die ökonomische Krise Irans Regime hinwegfegen könnte. Im Gegenteil: Die Herrscher in Teheran haben durch den Ölboykott nun eine ideale Ausrede für ihr eigenes wirtschaftspolitisches Versagen. Und sollte sich doch Widerstand regen, werden die Autokraten auf ihre seit Jahrzehnten erprobten Unterdrückungstechniken zurückgreifen.

Es war eine fatale Fehlkalkulation Trumps, das Atomabkommen mit dem Iran zu schreddern. Der Vertrag war gewiss nicht perfekt, doch er schob Irans nuklearen Ambitionen wenigstens einen zeitlich begrenzten Riegel vor. Diese Sicherungen könnten nun bald Stück für Stück durchbrennen, wobei man sich schon fragen muss, warum es die Iraner auf einmal wieder eilig haben mit dem Anreichern von Uran. Zur Straßenbeleuchtung werden sie es nicht brauchen.

Eine gefährliche Dynamik ist in Gang gekommen, die jederzeit außer Kontrolle geraten kann. Eine falsche Entscheidung, und aus dem martialischen Imponiergehabe der Amerikaner und der Iraner wird Ernst – mit katastrophalen wirtschaftlichen Folgen für den Rest der Welt. Schon denken die iranischen Revolutionsgarden laut darüber nach, die Straße von Hormus, das Nadelöhr des internationalen Ölverkehrs, zu schließen. Schon begleiten amerikanische Drohgebärden die routinemäßige Entsendung eines US-Flugzeugträgers und einer Bomberstaffel in die Region. Schon warnt die US-Regierung vor iranischen Angriffen, die angeblich vorbereitet werden. Die Kampfzone ist groß, die Iraner verfügen über radikale Verbündete vom Jemen bis in den Libanon.

Kriege beginnen manchmal auch aus Versehen, wenn Motive, Aktionen und Kräfteverhältnisse nicht richtig eingeschätzt werden. Entschärfende Klarheit könnten da nur direkte Gespräche bringen. Doch Amerikaner und Iraner haben keinen Draht. Und Europa fehlen Staatsmänner mit Statur, um beherzt zu vermitteln.

Am Persischen Golf sind Schlafwandler, Brandstifter und Dilettanten am Werk. Eine explosive Mischung.

E-Mails an:christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2019)

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