Meinung: Rauchen wir doch einfach kompliziert

Das am Donnerstag in Kraft tretende Tabakgesetz ist ein Paradebeispiel für Entscheidungsschwäche.

Noch nie haben Österreichs Gastronomen so inständig auf einen guten Sommer gehofft. Zumindest all jene, die einen Gastgarten haben. Denn dort wird auch der 1. Juli nichts ändern. Dort kann weiter je nach Laune noch den Sommer lang geraucht werden. Oder eben nicht. Drinnen hingegen gilt ein neues Tabakgesetz, und obwohl es eine Übergangsfrist gab, trifft es viele Lokalbetreiber unvorbereitet. Vielleicht weil sie dachten, dass ein derartig absurder Kompromiss nur ein Provisorium sein kann. Und dass Österreich ohnehin schnell gezwungen werde, dem Beispiel anderer europäischer Länder zu folgen und ein generelles Rauchverbot einzuführen. Wenn es um Verbote geht, kann man sich doch immer auf Brüssel verlassen. Das Dumme daran: So schnell schießen die angeblichen Bürokraten nicht. Zwar ist ein generelles Rauchverbot zwecks Schutz der Angestellten irgendwann zu erwarten. Aber erst irgendwann. Bis dahin musste tatsächlich die Regierung entscheiden. In Eigenverantwortung! Fast.

Es war wirklich schwierig und mühsam: Die Entscheidung würde nämlich tatsächlich jemanden vor den Kopf stoßen, entweder die Nichtraucher oder die Raucher. Daher beschloss der Gesundheitsminister unter dem Druck von Interessenvertretungen, dem Koalitionspartner, der Partei und dem eigenen politischen Überlebenswillen etwas dazwischen. Es gilt dabei der alte Grundsatz: Auf die Größe kommt es an. Betreiber von Lokalen unter 50 Quadratmetern dürfen selbst entscheiden, ob geraucht werden darf oder nicht. In größeren Lokalen muss hingegen – bei Wunsch des Wirtes nach Platz für Raucher – mittels einer Wand geteilt werden. Der größere Raum muss den Nichtrauchern vorbehalten sein. Das heißt also: Kellner in großen Lokalen haben es gesundheitlich besser als in kleinen. Ist ja auch logisch irgendwie.

Die einzige Ausnahme stellen übrigens Lokale unter Denkmalschutz dar, dort passiert gar nichts. Die Anzahl der Anträge auf derartigen „Schutz“ wird sprunghaft ansteigen. Irgendwie gehören U4 und Espresso Jacqueline doch wirklich längst zum Land-Kulturerbe, nicht?

Besonders absurd wird das Teilrauchverbot, wenn es um die Exekution des neuen Gesetzes geht: Die Kontrolle ist nämlich Sache der Länder. In der Steiermark, in Wien und in Salzburg werden aber offenbar keine Landesbeamten die neue Regelung kontrollieren. In zwei davon herrscht zufällig gerade Wahlkampf. Und es ist immerhin auch eine Methode, dem Gesundheitsminister mitzuteilen, was die Landesbehörden von seiner Regelung halten. Nein, die echten Kontrolleure werden die Kunden sein, die Verstöße gegen das Gesetz anzeigen können. Dem Wirt drohen hohe Strafen.

Sollte also ab sofort die Küche, der Service oder die Rechnung nicht den Erwartungen entsprechen, kann der Gast gleich einmal prüfen, ob das Tabakgesetz eingehalten wird. Schauen, ob etwa die Abtrennung wirklich schön abschließt und die Tür zwischen dem Nichtraucher- und Raucherbereich auch schließt. Es ist auch eine schöne Möglichkeit, einen Konkurrenten zu beschäftigen. Ein Gesetz, das großteils nicht von Beamten, sondern auf dem Prinzip der kleinen nachbarschaftlichen Vernaderung kontrolliert wird. Schön.


Was also wären die Alternativen? Da wäre einmal die für Österreich ohnehin völlig untypische volle Wahlfreiheit. Unter dieser kommt es allerdings nur schleppend zu einem flächendeckenden Angebot von Nichtraucher-Alternativen, weil selbst Lokale mit nichtrauchenden Chefs und wenigen rauchenden Gästen nicht riskieren, auch nur kurzfristig ein paar Gäste und somit Umsatz zu verlieren. Dadurch gibt es für Arbeitnehmer auch nicht genug Arbeitsplätze in solchen Lokalen. Und: So wie man sich den Freundeskreis nicht nach Rauchern oder Nichtrauchern aussucht, ist es auch mit Lokalen. Da geht es dann doch eher um Küche, Service, Einrichtung, Publikum und so weiter.

Und dann wäre da noch ein generelles Rauchverbot, mit dem viele Staaten, die wie Italien nicht für ihren Mangel an Lebenslust und Kavaliersdelikten bekannt sind, gute Erfahrungen gemacht haben. In der Tat ist Misstrauen gegenüber immer neuen Verboten mehr als angebracht. Dass das Verbot von Wildtieren im Zirkus oder bestimmter Rohmilchkäse-Sorten kaum Proteste ausgelöst hat, könnte allerdings ein kleiner Hinweis sein, dass es vielen Rauchern weniger um die Verteidigung der letzten Freiheiten denn um die Möglichkeit geht, ihren Nikotinkonsum zu genießen.

Ab 1. Juli wird nicht weniger, sondern nur viel komplizierter geraucht.

Jedes dritte Lokal verbietet Rauchen Seite 11


rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2010)

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