Wenn es um FP-Erfolge geht, ist auf SPÖ und ÖVP immer Verlass

Michael Häupl und Christine Marek leisteten als Wahlhelfer der Freiheitlichen ganze Arbeit. Konsequenzen sollten sie beide ziehen.

Sozialdemokraten und Volkspartei teilen nicht nur das bittere Schicksal der Niederlage, sondern auch die gleiche kapitale Fehleinschätzung. Beide Parteien glaubten, ausgerechnet der Partei, die klar und deutlich das vorhandene Unwohlsein über einen wachsenden Anteil an in erster Linie türkischstämmigen Bewohnern Wiens artikuliert, auf ihrem Terrain Konkurrenz machen zu können.

Die Wiener ÖVP versuchte dies mit einer Linie, die wohl kantig wirken sollte. Die inhaltliche Forderung nach verpflichtenden Deutschkursen für Nichtdeutschsprachige war zwar nicht sehr originell, aber durchaus vernünftig. Dank weiterer überraschender Vorstöße für Burka-Verbot und Deutschpflicht bei Imam-Predigten setzte Christine Marek zwar auf FPÖ-Themen, verlor aber gleichzeitig die Authentizität, die sie sich als freundliche Staatssekretärin für Familienbeihilfe und Karenzgeld aufgebaut hatte. Dazu kamen eine desaströse Kampagne und ein Jugendwahlkampf, der so ähnlich wohl in Niederösterreich funktioniert hatte, in Wien aber im besten Fall für Gelächter sorgte. (Vermutlich auch, weil Erwin Pröll dazu fehlte.) Das führte dazu, dass in den letzten echten und in zumindest potenziell schwarzen Bezirken die Wähler in Scharen davonliefen. Und in ihrer Not zu einem Teil zur Wiener SPÖ gingen, die Heinz-Christian Strache und seine Sprüche wirklich ablehnt, aber dennoch Birgitte Jank und die Wirtschaftskammer mag. Die möglichen ÖVP-Wähler, die an die Botschaften Christine Mareks offenbar wirklich glaubten, wählten den, der sie immer vertritt: Heinz-Christian Strache. Frau Mareks Rücktritt ist eigentlich ohne Alternativen, aber vielleicht ist die Führung der Wiener ÖVP ohnehin eine viel größere Strafe für den Absturz.

Und die SPÖ? Die überlegt vielleicht gerade, sich dem Habitus vieler Funktionäre zu nähern und endgültig von progressiv-sozialdemokratisch auf konservativ-bürgerlich zu schwenken. Nur, damit ist aus SPÖ-Sicht eben keine Stadt zu machen. Nein, die Nachfolger von Michael Häupl werden sich tatsächlich eine neue Strategie einfallen lassen müssen. Auch wenn in den vergangenen Monaten der eine oder andere kleine Ansatz von Problembewusstsein bei der fehlenden Integration von aktuellen und einstigen Ausländern bei Häupl und seinen Stadträten zu bemerken war, werden viele Probleme nach wie vor ungeniert geschönt. Mehr (Klein-)Kriminalität unter jungen Migranten? Nie gehört! Heruntergekommene Viertel fern der schicken Werbeprospekt-Bauprojekte mit Ein-Euro-Shops und Wettcafés? Doch nicht in Wien! Ein neues Selbstbewusstsein vieler Wiener mit Migrationshintergrund, das bei manchen wie eine Mischung aus Dominanz und Machogehabe ankommt? Nicht doch, wir mögen uns doch alle!

Das Problem dabei: Spricht man diese Beobachtungen aus, reagieren nicht wenige, als hätte man sich die Kreuzfahrerrüstung angelegt. Das macht es für Heinz-Christian Strache und andere so leicht, zu provozieren und Aufmerksamkeit zu generieren. Manche Maßnahmen der Wiener Stadtregierung – Einführung einer Wiener Hausordnung, zivile Ordnungskräfte in den Gemeindebauten – sind durchaus vernünftig, kamen aber spät und wirkten ein wenig naiv bei einem derart wichtigen Thema. Zudem können diese Aktionen trotz bester Absichten auf manche frustrierend wirkend: Wenn es Probleme beim Zusammenleben mit Ausländern gibt, ist plötzlich viel Geld da, Mediatoren und Deutschlehrer zu bezahlen, so der häufig zu hörende Schluss.

Noch schlimmer waren die ständigen scharfen, teils persönlichen Angriffe, die Häupl und die SPÖ gegen Strache und seine Wähler ritten: Mitleid verdient der Mann mit der politischen Steinschleuder keines, aber so machte man ihn zum heimlichen Star des Wahlkampfes. Und: Jeder, der sich in Simmering und Favoriten überhaupt vorstellen konnte, aus Protest die FPÖ zu wählen, wurde plötzlich als Faschist diffamiert und war für die SPÖ natürlich endgültig verloren.

Beide Parteien verband auch die Unehrlichkeit: Auf den Listen von SPÖ und ÖVP traten Kandidaten an, die mit Kopftuch oder Werbematerial ohne deutschsprachige Übersetzungen zeigten, dass es in der österreichischen Politik um Stimmenmaximierung und nicht um Überzeugung zur Integration geht.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2010)

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