Ewige Schaukämpfe und immerwährende Bürokratie

Von Schulen zum Sozialstaat: Von Verwaltungsreform reden Regierung und Länder gern, aber am Ende muss der Steuerzahler froh sein, wenn er nicht noch mehr zahlt.

Schön langsam müssen sich die Österreicher zu fürchten beginnen, wenn Politiker von Einsparungen reden und das Wort Verwaltungsreform in den Mund nehmen. Im politischen Machtkampf um die Lehrer mimt Werner Faymann also jetzt den Bundeskanzler, der den Kurs vorgibt. Alles bleibt zwischen Bund und Ländern bei den Kompetenzen, wie es ist, sagt er. Eine gefährliche Drohung, denn das bedeutet: Die Länder stellen weiter die Pflichtschullehrer ein, der Bund zahlt – und im internationalen Vergleich fließen da gar nicht so wenige Milliarden. Es wird lediglich verhindert, dass dieses kostentreibende System auf die Bundeslehrer ausgedehnt wird. Die politischen Schaukämpfe gehen weiter, ohne dass auch nur ein Schüler etwas davon hätte.

Die ÖVP wiederum versucht der Bevölkerung gerade das Ansinnen, dass die Länder Zugriff auf alle Lehrer bekommen sollen, mit einer treuherzigen Zusicherung schmackhaft zu machen. Der Bund soll weiter brav zahlen, über eine Schüler-Kopf-Quote soll das selbstverständlich alles kontrolliert werden. Echt?

Die Länder kennen schon jetzt keinen Genierer, wenn sie mehr als die vereinbarten Pädagogen einstellen. Zig Millionen müssten sie dem Bund und Finanzminister Josef Pröll dafür überweisen. Die Realität schaut ganz anders aus: Da wurde sogar der Wunsch von Unterrichtsministerin Schmied, die Kontrolle in diesem Punkt zu verstärken, den Ländern also ein bisschen mehr auf die Fingern zu schauen, heuer glatt abgeschmettert. So herrscht dann an einem durchschnittlichen Novembertag sogar bei Nebel mehr Durchblick! Nur eines steht demnach fest: Aufkommen darf am Ende dafür immer der Steuerzahler.


Sie erinnern sich an die Abschaffung der Studiengebühren? Die hatte zur Folge, dass die Universitäten, die nicht wissen, woher sie Geld nehmen sollen, zur Administration der Ausnahmeregelungen Dutzende Mitarbeiter zusätzlich beschäftigen durften.

So gesehen muss einen schon leichte Panik befallen, wenn jetzt bei der geplanten Streichung der Familienbeihilfe für Studenten über 24 Jahre wieder von so mancher Ausnahme die Rede ist. Am Ende wird der Finanzminister für die Bürokratie gar mehr zahlen müssen, als im Budget durch die Einsparung bleibt.

Richtig bitter für betroffene Menschen wird es dann, wenn statt des mühsameren politischen Weges in Richtung Eindämmung der Bürokratie die viel bequemere Abkürzung genommen wird. Sozialminister Hundstorfer ist da gerade unterwegs: Er stellt höhere Hürden für künftige Bezieher von Pflegegeld in den Stufen I und II auf. Gleichzeitig feiert daneben die Sozialbürokratie fröhliche Urständ: Seit Langem leistet sich Österreich den Luxus, für die Abwicklung des Pflegegeldes im Bund-Länder-Paralleluniversum bis zu 280 Behörden zu beschäftigen. Mit dem Nebeneffekt, dass beim gleichen Grad der Pflegebedürftigkeit mitunter je nach Region ganz unterschiedliche Leistungen bezahlt werden.


Bekannt ist das seit Langem, abgestellt wurde es nicht. Klarer Fall von Sparen am falschen Platz! Beim Pflegegeld gibt es die Einschränkungen ab 2011, die bürokratische Zersplitterung hat der Sozialminister zwar nun auch im Visier. Aber ob sich da bis 2012 etwas tun wird, bleibt zweifelhaft. Sie wissen eh: Auch das setzt Einigkeit mit den Ländern voraus, das kann dauern!

Das übliche Gesudere? Nein! Selbst wenn neue Sozialleistungen – wie im September die Mindestsicherung – eingeführt werden, passiert das wieder doppelgleisig zwischen den Sozialämtern der Länder und auf Bundesseite durch das Arbeitsmarktservice, das Bezieher ja richtigerweise wieder zu Jobs verhelfen soll. Schon nach wenigen Wochen war das laute Stöhnen vernehmbar, dass man für diese Parallelitäten mehr Personal braucht (wobei die Bediensteten selbst nichts dafür können, was ihnen Politiker so einbrocken). Die Mindestsicherung an Bürokratie ist jedenfalls garantiert.

Egal, ob Schulen oder Sozialstaat, überall ewige Machtkämpfe und immerwährende Bürokratie statt Verwaltungs- und Bürokratieabbau. Selbst für Sisyphus wäre diese Aufgabe in der heutigen Zeit eine Strafverschärfung. Seite 3

E-Mails an: karl.ettinger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2010)

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