Der letzte Schwarze Wiens

Die Wiener ÖVP hat tatsächlich einen Freiwilligen gefunden, der sich an die Spitze stellen lässt. Die Partei müsste man neu gründen, benennen und bauen. Aber das werden die Funktionäre verhindern.

Wieder einmal gibt es sensationelle Neuigkeiten aus der ÖVP zu vermelden: Christian Switak geht und Manfred Juraczka kommt. Aber bitte lesen Sie weiter.

Den ersten Namen kann man sofort aus dem Gedächtnis streichen. Der Tiroler war Landesrat und in dieser Funktion offenbar darum bemüht, freundliche Einladungen gut erzogen nicht auszuschlagen, ob es nun um Mietwohnungen oder Jagdgesellschaften ging. Fast ein wenig beleidigt trat der ehemalige Kabinettschef von Günther Platter am Freitag zurück. Vermutlich war er genauso überrascht, dass sich der Tiroler Landeschef Platter zu einer Entscheidung durchrang und ihm den Abgang nahelegte, wie der Rest des Landes. Der Rücktritt ist erfreulich und nährt die Hoffnung, dass man in der ÖVP die Korruptionsvorwürfe um Telekom und Co. ernst nimmt, untersucht und (personelle) Konsequenzen daraus zieht. Zumindest wenn, wie in Tirol, eine Wahl ansteht.

Den anderen Namen konnte man in den vergangenen Wochen manchmal lesen und wird ihn noch häufig plakatiert sehen: Manfred Juraczka – eine Herausforderung für jedes Lektorat – wurde am Samstag zum Obmann der Wiener ÖVP gewählt, womit ihm eigentlich schon viele Parteifreunde dankbar sein mussten. Seine schon vorab affichierten Plakate sollen wohl zeigen, dass der Stadtrat ohne Portefeuille dynamischer wirkt als einst Alfred Finz. Sein fixierter Blick und der Spruch „Werden wir 2012 ganz sicher erreichen: Sie“ hat etwas Bedrohliches, Sektenhaftes. So groß ist die Wiener ÖVP gar nicht mehr, ließe sich da zynisch scherzen. Aber will man wirklich, dass der Tschetschenen-Reisende Johann Gudenus und Heinz-Christian Strache mit seinen dokumentierten Verfolgungsängsten („Wir sind die neuen Juden“) Opposition und Politik rechts der Mitte abdecken? Nein, das will man nicht.

Angesichts der rot-rotgrünen Regierung mit ihrer Politik der Umverteilung vom Bürger zum Rathaus und von dort in die stadträtliche Selbstdarstellung in Wort, Bild und Infrastruktur wäre eine bürgerlich-liberale Partei in Wien notwendiger denn je. Die aktuelle Wiener Rest-ÖVP ist das nicht, sie ist ein geschlossenes System von und für Funktionäre(n), die sich selbst und gegenseitig möglichst lange beschäftigen. So gesehen kann Herr Juraczka nur positiv überraschen. (Aber das haben wir von Christine Marek auch geschrieben.) Aus heutiger Sicht wären elf Prozent bei einer Gemeinderatswahl schon ein Erfolg. Den Nationalratswahlkampf in Wien, der entscheidet, ob die ÖVP in der Stadt vor den Grünen und bundesweit vor der FPÖ liegt, wird Sebastian Kurz anführen – und mit viel Glück von der tiefen, existenzbedrohenden Misere der Wiener Partei ablenken können. Inhaltlich wird der nette Staatssekretär für die Schwiegermutter von nebenan nicht viel erneuern können.

Wolfgang Schüssel hat einmal napoleonisch aufgerufen, die ÖVP müsse die Städte zurückerobern. 2012 geht es nur darum, sie nicht endgültig zu verlieren. Diese Aufgabe wiegt schwer auf dem freundlich-harmlosen Herrn Juraczka aus Wien, Hernals.

rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2012)

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