„Eat the rich“ – aber satt werden wir davon nicht

Der „Feldversuch“ in Großbritannien zeigt, dass die Reichensteuer wenig bringt. Populistische Regierungen wird das kaum aufhalten.

Es war eine bemerkenswerte Abstimmung im Jahr 2004 im US-Bundesstaat Oregon. Der Staat schlug seinen Bürgern vor, die Steuer auf Einkommen ab 125.000 Dollar deutlich zu erhöhen. Betroffen hätte das etwa drei Prozent der Einwohner. Bei der Befragung jedoch votierten fast 60 Prozent gegen die Steuererhöhung. Analysten erklärten das später mit der amerikanischen Mentalität: Die Menschen seien davon überzeugt, irgendwann auch einmal so viel Geld zu verdienen – und deshalb wollten sie keine Steuererhöhung.

In Europa glaubt die Mehrheit offenbar nicht, dank eigener Leistung einmal so viel Geld verdienen zu können, um als reich zu gelten. Deshalb sind Rufe nach der Reichensteuer in der Alten Welt derzeit auch recht populär.

In Frankreich tat sich Präsidentschaftskandidat François Hollande mit dem Vorschlag hervor, eine Abgabe von 75 Prozent auf Jahreseinkommen über einer Million Euro einzuheben. Weil Oskar Lafontaine anscheinend glaubte, dass das ein Grund für die Popularität Hollandes war, forderte der Fraktionschef der Linken im Saarland die gleiche Steuer für Deutschland. Selbst in den USA, wo man seinen Reichtum bisher recht ungeniert zeigen konnte, versucht Präsident Barack Obama seine schwache politische Bilanz mit einem Ruf nach höheren Steuern für Reiche aufzufetten.

Und in Österreich? Die SPÖ hat sich zweifellos noch nicht von Reichen- oder Vermögensteuern verabschiedet, auch wenn sie dem Koalitionspartner ÖVP einen zeitlich befristeten Solidarzuschlag für Besserverdiener abringen konnte. Im nächsten Wahlkampf, davon kann man ausgehen, wird die Jagd auf die Reichen neu eröffnet werden.

Die Forderung nach einer speziellen Reichensteuer begründet man gern mit der finanziellen Sorge um den Staat: Die Defizite müssten wieder abgebaut werden, und dafür müsse jeder einen Beitrag leisten – und die Besserverdiener eben einen größeren.

Diese vordergründige Argumentation bricht jetzt nach dem ersten großen „Feldversuch“ der Reichensteuer in sich zusammen: Nach nur zwei Jahren senkt Großbritannien den Spitzensteuersatz wieder von 50 auf 45 Prozent. Das hat nicht nur mit dem Wechsel von einer Links- zu einer Rechtsregierung zu tun, sondern mit nackten Fakten: Eine Reichensteuer, erhob eine Untersuchung der britischen Steuerbehörde, kostet die Wirtschaft unter dem Strich mehr, als sie dem Staat bringt.

Für eine verantwortungsvolle Partei sollte das eigentlich das Ende jeder Debatte sein (abgesehen davon, dass die Besserverdiener ohnehin schon einen beachtlichen Beitrag leisten: In Österreich kommen die obersten zehn Prozent der Einkommensbezieher – ab etwa 4000 Euro brutto pro Monat – für 50 Prozent der Steuern auf, das oberste ein Prozent – ab 120.490 Euro brutto – leistet einen Beitrag von 15 Prozent). Die britische Studie belegt, was man ohnehin schon immer vermutet hat: Mit den Reichen lassen sich Budgets nicht sanieren. Nicht nur wegen der geringen Summen, sondern auch deshalb, weil sie wissen, wie man die Steuer umgehen kann.


Nun ist Politik selten vernünftig, sondern leider sehr oft populistisch. Und mit der Hetze gegen „die da oben“, mit dem Bedienen dumpfer Neidgefühle lassen sich in Europa – im Gegensatz zu Oregon – durchaus Wahlen gewinnen.

Die Manager und die Firmen werden sich daher etwas einfallen lassen müssen, um der Politik oder dem möglicherweise bald überbrodelnden Kochtopf der Wutbürger zuvorzukommen. Es hat schon seinen Grund, warum es bei der Debatte um Spitzenverdiener immer nur um Manager und selten um Sportler oder Sänger geht: Wenn Lionel Messi weiterhin Elfmeter verschießt, wird er sich bald einen neuen Klub suchen oder seine Gehaltsvorstellung reduzieren müssen.

Wenn aber ein Vorstand seine Firma in die Pleite managt, kann er immer noch mit einem Bonus rechnen – oder geniert sich trotz offensichtlichen Versagens nicht, seinen einstigen Arbeitgeber auf eine Sonderzahlung zu klagen (wie beim Flughafen Schwechat passiert).

Wenn man diese Mentalität in den Vorstandsetagen nicht ändert, dann wird es trotzdem wieder heißen: „Eat the rich“ – egal, ob man davon satt wird.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2012)

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