Macht die EZB den Helikopter startklar?

Der diskutierte „Geldabwurf“ ließe wohl alle Dämme brechen.

Oft sind es die kleinen Nebensätze, die die Geschichte würzig machen: Bei der vorwöchigen Pressekonferenz der EZB wurde deren Chef, Mario Draghi, ganz nebenbei auch gefragt, was er denn vom Konzept des „Helicopter Money“ halte. Der Herr des Euro sagte daraufhin verblüffenderweise nicht „Schwachsinn“, sondern „interessantes Konzept“, das zur Zeit „in akademischen Zirkeln diskutiert“ werde und das „wir beobachten müssen“.

Seither ist die Fachwelt ein bisschen in Aufruhr und fragt sich, ob die Eurozone wirklich schon so am Boden liegt, dass die Notenbank zum allerletzten Verzweiflungsschritt ansetzen müsse.

„Helikopter-Geld“ würde eingesetzt, wenn die EZB zwecks Abwehr einer Deflation aus Notenbankmitteln direkt Konsum finanziert, indem sie etwa jedem Eurozonen-Bürger ein paar Tausender aufs Konto überweist oder staatliche Investitionsprojekte beziehungsweise (wie in den USA schon praktiziert) Steuergutschriften aus Notenbankgeld finanziert. Und damit das zur Konjunkturankurbelung notwendige Geld, das derzeit aus dem inneren Finanzkreislauf nicht herausfindet, dorthin bringt, wo es wirklich Konsum stimuliert.

Allerdings gäbe es noch eine Art von Helicopter Money: Die EZB pumpt ja Geld in die Banken, indem sie diesen Staatsanleihen abkauft. Damit gehört die Notenbank schon zu den größten Gläubigern der Euroländer. Sie könnte auf die Rückzahlung dieser Anleihen (im Endstadium mehr als eine Billion Euro oder mehr als zehn Prozent der Schulden aller Euroländer) verzichten und den Ländern so wieder ein bisschen Verschuldungsspielraum verschaffen. Das sei, wie es hieß, „rechtlich und buchhalterisch komplex“, aber nicht unmöglich.

Nur: Dieser Freibrief für Schuldenmachen auf Kosten notwendiger Reformen wäre mit Sicherheit ein Dammbruch, dessen Folgen die EZB nicht mehr unter Kontrolle halten könnte. Dann können wir die Währung samt dem in ihr angehäuften Finanzvermögen wirklich vergessen. Hoffen wir, dass dieser systemzerstörende Verzweiflungsakt ausbleibt. Allein dass er diskutiert wird, erzeugt ja schon Vertrauensverlust genug.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2016)

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