Wie man mit Lohndifferenzen Politik macht

Der „Gender Pay Gap“ sollte beseitigt werden, nicht instrumentalisiert.

Heute ist – haben Sie's schon bemerkt? – Equal Pay Day. Die restlichen 82 Tage des Jahres „arbeiten Frauen statistisch gesehen gratis“, sagt die Bundesfrauenvorsitzende des ÖGB. Das zeigt uns erst einmal, dass das Verzapfen von Unsinn kein Hindernis auf dem Weg zum stellvertretenden ÖGB-Vorsitz ist. Aber das ist hier nicht das Thema.

Dieses ist vielmehr der Pay Gap, wie das Neuhochdeutsch so schön heißt, zwischen den Einkommen von Männern und Frauen. Dieser existiert nämlich tatsächlich, und er gehört beseitigt. Dazu müsste man aber erst einmal die Ursachen klar benennen.

Sicher nicht gehört dazu der viel beklagte Umstand, dass „gleiche Arbeit ungleich bezahlt“ wird. Es gibt in desem Land keinen Kollektivvertrag, der ungleiche Einstufungen von Männern und Frauen für die gleiche Arbeit vorsieht. Es gibt in diesen Verträgen aber sehr wohl einen „Age Gap“ durch das Senioritätsprinzip: Ein Buchhalter mit 20 Dienstjahren verdient beispielsweise um fast 50 Prozent mehr als einer im ersten Jahr. Für die im Prinzip gleiche Arbeit. Und wer – etwa durch Kindererziehung – Zeitlücken in diesem Senioritätsverlauf aufweist, fällt einkommensmäßig eben zurück.

Das ist natürlich ein Problem, wenngleich niemand auf die Idee käme, jetzt zu sagen, junge Buchhalter arbeiten ab September gratis. Aber über diesen Age Gap muss die Gewerkschaft nicht öffentlich jammern. Sie ist Kollektivvertragspartner und kann jederzeit versuchen, diesen Teil aus den Verträgen herauszuverhandeln, wenn sie das denn will.

Sonst gibt es etwa geschlechtsspezifisch unterschiedliche Berufspräferenzen (plakativ: Friseurin versus Mechatroniker), die für geschlechtsspezifische Gehaltsunterschiede sorgen. Und in einigen Berufsfeldern leider immer noch die gläserne Decke, die Altherrenzirkel eisern über die Karriereverläufe ihrer Kolleginnen zu halten versuchen.

Diese Problemfelder muss man intensiv angehen. Aber mit den richtigen Maßnahmen. Gehaltstransparenz allein ist da zu wenig. Und leicht durchschaubare Unsinnsargumente über generell „ungleichen Lohn für gleiche Arbeit“ sind da definitiv kontraproduktiv.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2016)

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