Wie man eine Vorzeigebranche effizient ruiniert

Erstaunlich, wie rigoros die Deutschen ihre Autoindustrie abmontieren.

Deutschland hat im dritten Quartal zum ersten Mal seit vielen Jahren ein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung festgestellt. Hauptschuld daran trägt die wichtigste Industrie des Landes, die Autobranche. Deren Absatz leidet stark unter dem (selbst verschuldeten) Pallawatsch um den neuen Abgasprüfstandard WLTP. Und unter der intensiven Diskussion um Dieselfahrverbote.

Bringen sie die erwartete Wirkung? In Hamburg sind seit einem knappen halben Jahr Dieselfahrverbote in zwei besonders stark belasteten Straßenzügen in Kraft. Dort sind die Stickoxidwerte, um die es geht, in dieser Zeit minimal gesunken. Auf den Ausweichstrecken aber, wenig überraschend, gestiegen. Das Fahrverbot bringt also in Summe keine Entlastung. Hat das Konsequenzen?

Nein, denn die Stadt will das gar nicht wissen. Die Messungen auf der Ausweichroute stammen von der Deutschen Umwelthilfe. Das ist jener von Toyota gesponserte Klagsverein, der eine Stadt nach der anderen ins Dieselfahrverbot klagt. Behördliche Messungen auf der Ausweichroute gibt es nicht. Wozu auch? Fakten machen ja nur Stress.

Die Umwelthilfe klagt jetzt übrigens gerade die Stadt Oldenburg. Basis sind dort die Stickoxidmesswerte einer Station, die die mit Abstand höchste Messwertüberschreitung an einem Tag gemessen hat, an dem die Straße wegen eines Marathons gesperrt, also ohne Autoverkehr war. Wird jetzt die Messstation überprüft? Nein, nicht notwendig: Messwert ist Messwert. Es wird wohl ein Fahrverbot geben.

Es gibt also ein richtiges Messwertchaos, das noch dadurch verschärft wird, dass in Europa die Aufstellung der Messstationen nicht standardisiert ist. In der einen Stadt stehen sie in 1,5 Metern Höhe direkt neben der Straße, in anderen europäischen Ländern teilweise Dutzende Meter entfernt auf Hochhäusern.

Auf Basis solcher Messwerte werden Fahrverbote für fast neue Pkw (teilweise bis Euro 5) verhängt. Aber nur in Deutschland. Anderswo sieht man das weniger krass, zumal die NOx-Belastung im vergangenen Jahrzehnt ja ohnehin geradezu dramatisch zurückgegangen ist.

Schon erstaunlich, mit welcher Akribie die Deutschen an der Demontage ihrer Schlüsselindustrie arbeiten. Aber wenn unsere Nachbarn sich etwas vornehmen, dann machen sie es bekanntlich gründlich.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.