Herrn Nowotnys kurzer Flirt

Dass die Liebe des OENB-Gouverneurs zu EZB-Anleihen so rasch verblasst ist, ist ein Grund für kollektives Aufatmen.

Wer hat Ewald Nowotny da zurückgepfiffen? War es Finanzminister Pröll? Oder gar der oberste Euro-Hüter Trichet? Oder wurde der Nationalbank-Gouverneur nur ein Opfer seiner Launen? Jedenfalls durfte jeder Österreicher, der zeitunglesend um die Zukunft des Euro zittert, den etwas irrationalen Verlauf eines Flirts miterleben. Erst vor einer Woche entflammte Nowotny in „persönlicher“ Liebe zu gemeinsamen EZB-Anleihen für brave wie für schlimme Schuldner. Sie würden eine „deutliche Stärkung des europäischen Kapitalmarkts“ bringen. Aber schnell hat er seine Affäre verleugnet: Jetzt nicht, für so etwas müssten die Zeiten schon besser werden. Gut so, es war ja doch eher eine Mesalliance. Österreicher und Deutsche können durch eilig eingeführte E-Bonds nur verlieren, weil ihre Zinslast steigt. Kein Wunder, dass die deutsche Abwehrfront so dicht geschlossen ist.

Der schöne neue Kapitalmarkt kann auf Dauer nur funktionieren, wenn er nicht die Anreize zum wirtschaftlichen und budgetären Wettstreit raubt und wenn sich alle an den Besten orientieren. Vielleicht zum ersten Mal hat der alte Geibel mit seinen scheußlichen Versen recht: Nur am deutschen Wesen kann Europa genesen. Und in diese „guten Zeiten“ sollten alle mutig schreiten. Auch Österreichs Gouverneur.

E-Mails an: karl.gaulhofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2010)

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