Der alte Besinnungsaufsatz hat endgültig ausgedient

Die zuständige Arbeitsgruppe wehrt sich gegen den Vorwurf, positive Beurteilungen würden bei der Deutsch-Zentralmatura verschenkt.

Die Reifeprüfung in Österreich erlaubt den Antritt eines Universitätsstudiums. Schon allein deswegen muss die Latte relativ hoch angelegt werden. So müssen etwa in Deutsch für alle Kandidaten, ob am Gymnasium oder an berufsbildenden höheren Schulen (BHS), vergleichbare Standards gelten.

Deswegen hat sich die Arbeitsgruppe Deutsch entschlossen, allen Prüflingen die gleichen Aufgaben zu stellen. Dies bringt keine Änderung für das Gymnasium, während für die BHS statt bisher zwei nun drei Aufgabenpakete zur Wahl stehen. In einem Paket findet sich verbindlich eine literarische Aufgabe, was an berufsbildenden höheren Schulen nicht immer üblich war. Doch niemand ist gezwungen, genau diese Aufgaben zu wählen.

Was jedoch neu und verbindlich für alle ist: Zum einen sind statt dem einen langen Aufsatz nun zwei Texte zu verfassen. Zum anderen geht jede Aufgabe von einem Text aus, den zu lesen und zu verstehen die erste Herausforderung ist. Die Kandidat(inn)en müssen sich auf die Ausgangstexte beziehen. Diese können literarisch sein oder Sachtexte, zum Beispiel aus der „Presse“, bisweilen auch Tabellen oder Schaubilder. Und die Prüflinge müssen gezielt argumentieren, Vorgänge beschreiben oder Sachverhalte darstellen. Der alte Besinnungsaufsatz hat ausgedient. Das ist nicht vollkommen neu. Viele Lehrkräfte haben schon bisher ähnlich gearbeitet. Nun aber wird es verbindlich für alle. Wieso Lehrergewerkschaftler dies zu leicht finden, bleibt unverständlich.

Kommen wir nun zu den Regelungen der Beurteilung. Leider hat das Ministerium unseren Vorschlag, jede Arbeit von zwei Lehrkräften beurteilen zu lassen, abgelehnt. Aber immerhin gibt es erstmals einen genauen und verbindlichen Kriterienkatalog. Er beinhaltet vier Punkte: Inhalt, Aufbau, Sprache und formale Richtigkeit (Rechtschreibung, Zeichensetzung, Grammatik). Wegen dieses Kriterienrasters behauptet die Lehrergewerkschaft, ein „Genügend“ werde künftig „verschenkt“. Doch entspricht dieser Katalog genau der gesetzlichen Leistungsbeurteilung. Dennoch haben wir, die Arbeitsgruppe Deutsch, einen Akzent gesetzt, der vielleicht manchen nicht passen wird. Die Kriterien stellen nämlich den Primat des Inhalts sicher. Das heißt: Eine inhaltlich gute oder sehr gute Arbeit kann kaum zu einem „Nicht genügend“ führen, auch bei formalen Mängeln. Und umgekehrt: Eine formal fehlerfreie Arbeit führt nicht automatisch zu einem „Sehr gut“. Das mag für manche eine Umstellung bedeuten. Denn es ist eben viel einfacher, Beistrich- oder Rechtschreibfehler zu zählen als die Qualität einer Arbeit zu beurteilen.

Ob die Zentralmatura im Fachbereich Deutsch für die Prüflinge zu leicht, zu schwer oder gerade richtig ist, kann man nicht durch Alarmrufe festlegen. Dies werden wohl die ersten Pilottests zeigen, deren Ergebnisse in Kürze vorliegen. Was aber jetzt schon feststeht: Die neue Deutschmatura wird eine zukunftsorientierte Kompetenzüberprüfung sein.


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2012)

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