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Mehr Wirtschaftsprüfer braucht das Land

Das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz soll heute – nach vielen Querelen – im Plenum beschlossen werden. Spät genug.

Wenn nicht etwas völlig Unerwartetes passiert, wird heute das neue Wirtschaftstreuhandberufsgesetz (WTBG) im Plenum beschlossen.

In den vergangenen Wochen war es dank vieler erhitzter Gemüter zu einem kräftigen Schlagabtausch zwischen Rechtsanwälten und Steuerberatern bzw. Wirtschaftsprüfern gekommen. Die Anwälte stiegen auf die Barrikaden, als sie erfuhren, dass Wirtschaftsprüfer und Steuerberater mehr Rechte für sich beanspruchen. Sogar Protestmaßnahmen drohten sie an. Es sei inakzeptabel, dass Steuerberater künftig Verträge errichten und in Verwaltungsstrafverfahren sowie vor Gerichten vertreten sollen. Dazu fehle es ihnen schlichtweg an nötiger Ausbildung. Die Steuerberater zeigten sich ob dieser Anwürfe empört. Die Kritik an der Ausbildung sei haltlos, so die Kammer der Wirtschaftstreuhänder (KWT). Unternehmer würden durch die Gesetzesänderungen endlich Unterstützung in jenen Bereichen bekommen, in denen sie in der Praxis faktisch alleingelassen wurden, so Klaus Hübner, Präsident der KWT.

Doch so hoch die Wogen auch gingen, schlussendlich waren sowohl Anwälte als auch Wirtschaftsprüfer bereit, einige Abstriche zu machen und das Gesetz – etwas verändert – ins Plenum zu schicken. Und beide Seiten versicherten, die vorliegende Gesetzesfassung sei eine, mit der es sich gut leben ließe. Gut so, jeder soll sein Gesicht wahren können, keiner als Verlierer aus dem Ring steigen.

Bei dem ganzen Gerangel ging jedoch völlig unter, dass eine Verzögerung des Gesetzes aus ganz anderen Gründen für die Wirtschaftsprüfer fatal gewesen wäre: Mehr als zwei Jahre lang drängten sie beim zuständigen Wirtschaftsministerium auf die Novelle. Doch bei Reinhold Mitterlehner stand die Agenda auf der Prioritätenliste nicht allzu weit oben. Zum Leidwesen der gesamten Branche, denn sie kämpft schon seit geraumer Zeit mit ringenden Händen um Nachwuchs. Der Beruf des Wirtschaftsprüfers ist für die meisten Uni-Absolventen nämlich längst nicht mehr attraktiv. Das hat vor allem mit der langen und schwierigen Ausbildungszeit zu tun.

Wer Wirtschaftsprüfer werden will, muss derzeit auch den gesamten Stoff stucken, der für den Abschluss der Steuerberaterprüfung notwendig ist, selbst wenn er gar nicht vorhat, sich jemals als Steuerberater zu betätigen. Das schreckte viele ab. Doch mit dem neuen Gesetz ändert sich das, erstmals gibt es einen direkten Zugang zum Beruf des Wirtschaftsprüfers – so wie das in vielen anderen EU-Ländern längst üblich ist. Ein Etappensieg. Ob diese Änderung freilich allein ausreicht, wieder mehr junge Menschen für den einst so prestigeträchtigen Beruf zu begeistern, wird sich erst in einigen Jahren herausstellen. 2016 wurden nur 39 Wirtschaftsprüfer beeidet. Gebraucht werden viel, viel mehr.

E-Mails an: judith.hecht@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2017)

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