Ist er ein Nazi? Aber nein, er ist einfach nur Lars!

„Okay, ich bin ein Nazi“, meinte Provokationskünstler Lars von Trier und wurde dafür in Cannes zur Persona non grata erklärt.

Cannes ist ein Festival der rituellen Abläufe: Sie sind die Garanten der Publicity. Strenge Hierarchien bei der Einlasspolitik garantieren ein Gefühl der Abhängigkeit (oder, am besseren Ende: Wichtigkeit) bei der Presse, die sich entsprechend ins Zeug legen soll. Die Präsentation eines Hollywood-Blockbusters am ersten Wochenende garantiert Berichterstattung auch in Medien, die an Filmkunst sonst garantiert kein Interesse haben. Die Platzierung einer garantiert kontroversiellen Produktion im Wettbewerb garantiert mehr mediale Aufregung über einen angeblichen Skandalfilm. Und die Anwesenheit von Lars von Trier garantiert einen Eklat bei der Pressekonferenz.

Der dänische Kunstfilmer, seit Dekaden ein Cannes-Stammgast, hat sich seinen Namen auch gemacht, indem er nicht nur mit seinen Filmen provoziert, sondern auch als Person – genau genommen als Persona, denn Lars von Trier, wie er sich nach außen zeigt, ist eine Kunstfigur, die genau auf die Erfolgsmasche seines Kinos abgestimmt ist, in etwa nach dem Motto: Kein Wunder, dass dieser zynische Typ diese furchtbaren Filme macht. Über deren künstlerischen Wert kann man durchaus debattieren, seine kalkulierten Auftritte sorgen bei Insidern hingegen schon lange für Ermüdung. Unvergesslich, wie er vor zehn Jahren aus Anlass seines Films Dogville bei der Cannes-Pressekonferenz gleich in die Vollen ging: „Nein, ich war noch nie in Amerika ... aber Präsident Bush ist ein Arschloch!“ Woraufhin ein renommierter US-Kritiker neben mir gähnte: „Das ist doch das Mindeste, was er sagen muss!“

Weil aber die Medienlandschaft gierig nach Skandalen lechzt (mehr als nach den Filmen, wie Cannes jedes Jahr wieder zeigt), funktioniert das ausgeklügelte Lars-Spiel noch immer. So mag sein aktueller Wettbewerbsbeitrag Melancholia außer bei der französischen Kritik für Enttäuschung gesorgt haben, aber die Pressekonferenz war wieder ein Coup: Er sympathisiere schon ein bisschen mit Hitler, meinte der sich gern als Regiediktator aufspielende Filmemacher und legte noch ein Schäuferl nach – „Ok, ich bin ein Nazi!“.

Schon war wieder künstliche Aufregung garantiert, wo es kaum noch möglich ist, von Triers Provokationsspielchen ernst zu nehmen: Er bekam Schlagzeilen, die der Film alleine nicht garantiert hätte. Ungewöhnlich war diesmal nur eines: Am selben Abend kam eine Presseaussendung, in der sich von Trier entschuldigte. „Ich bin weder antisemitisch oder habe rassistische Vorurteile irgendeiner Art noch bin ich ein Nazi.“ Entweder der zweite Teil des Coups – Nachbericht garantiert! Oder von Trier wird doch endlich erwachsen. Anscheinend allerdings zu spät: Die Direktion von Cannes hat ihn inzwischen zur „Persona non grata“ erklärt.

E-Mails: christoph.huber@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2011)

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